27.12.2017

Monsters (2010)

Wie teuer die Produktion von "Monsters" letzten Endes wirklich war, kann wohl kaum noch ermittelt werden. Der in der IMDB aufgelistete Schätzwert von 200.000 US-Dollar trifft das Budget vermutlich eher als die legendären 15.000 Dollar, die bisweilen durchs Internet geistern. Fest steht jedenfalls, dass "Monsters" mit einem sehr schmalen Budget realisiert wurde, was man dem fertigen Film, dessen Look die Vergleiche mit großen Hollywood-Produktionen nicht zu scheuen braucht, so gut wie gar nicht ansieht. Seinen Hype auf dem Fantasy Filmfest hat der Science-Fiction-Film – wie noch jede ansehnliche und effektvolle Low-Budget-Produktion – wohl vor allem seiner Budgetfrage zu verdanken, doch auch davon abgesehen bietet "Monsters" einiges an Mehrwert.

Kino-Debütant Gareth Edwards, der neben der Regie auch die Kameraarbeit übernahm, das Drehbuch schrieb und die visuellen Effekte an seinem Heimcomputer entwickelte, legt mit "Monsters" einen beachtlichen Low-Budget-Film vor, dessen Titel zwar auf seine Weise treffend, aber auch leicht irreführend ist: Wie etwa in "Der weiße Hai" (Steven Spielberg, USA 1975) oder "Alien" (Ridley Scott, USA 1979) bekommt das Publikum die Monster – riesige außerirdische Wesen, die wie langgezogene Kraken aussehen – kaum zu Gesicht. Ihre Wirkung entfalten die fremden Wesen vielmehr durch ihre stetige Präsenz im Hintergrund, wenn sie in den Breaking News über krisselige Fernsehbildschirme flimmern, weit entfernt in der Dunkelheit röhren oder in Augenzeugenberichten Gestalt annehmen.

Als zentraler Bezugspunkt fungieren die beiden Protagonisten Samantha und Andrew, die sehr einnehmend von Scoot McNairy und Whitney Able gespielt werden. Andrew ist Fotograf, Samantha die Tochter seines Chefs, der ihn telefonisch bittet, die junge Frau sicher in die USA zu bringen. In Mexiko sind die außerirdischen Wesen unterwegs, weswegen das gesamte Gebiet zu einer militärischen Sicherheitszone erklärt und mit einer riesigen Mauer von den Staaten abgeschirmt wurde. Die letzte Fähre von Zentralamerika in die USA können Andrew und Samantha nicht nehmen, weil sie ihre Pässe verloren haben. Ein zwielichtiger, glänzend gespielter Mann, der aus dem allgemeinen Durcheinander und dem Elend reichlich Kapital schlägt, vermittelt die beiden gegen einen horrenden Preis an eine Expedition, die Mexiko und damit die infizierte Zone passieren will. Auf der Reise – "Monsters" ist auch ein Road Movie – erzählt Edwards in Andeutungen und kleinen Momenten eine Liebesgeschichte zwischen Andrew und Samantha. Doch es kommt zu nichts zwischen den beiden, "Monsters" verhandelt die Geschichte einer Liebe, die nicht stattfindet und doch immer zwischen den wunderbar harmonierenden Darstellern schwebt – ganz so wie die Angriffe der Monster, die ja auch nie wirklich stattfinden, aber stets als Möglichkeit im Raum stehen.

Noch vor den Außerirdischen übernimmt die Landschaft die zweite Hauptrolle. Gareth Edwards greift dabei vor allem auf Vorgefundenes zurück, auf von Tornados vernichtete Landstriche, verrostete Autowracks am Straßenrand und vernebelte Landschafts-Impressionen. Auf diese Weise generiert "Monsters" eine durchgängig geschlossene, dichte Atmosphäre, die nie Zweifel daran aufkommen lässt, dass die infizierte Gegend dystopisch aus den Fugen geraten ist. Per Computertechnik ins Bild montierte Warn- und Verbotsschilder, die in der deutschen Fassung unglücklich als Gedanken synchronisiert wurden, verstärken die unheilschwangere Grundstimmung. Hinzu kommen die vor Ort gecasteten Laiendarsteller, der reduzierte Soundtrack und zahlreiche kleine Details, die viel zur einnehmenden Atmosphäre beitragen. Nicht zuletzt sorgt die großartige Kameraarbeit von Gareth Edwards, der ausgiebig mit Unschärfen arbeitet und durchweg hochwertige Bilder liefert, dafür, dass "Monsters" sein geringes Budget nicht zum Nachteil gerät.

Der Subtext von "Monsters" übt Gesellschaftskritik. Wie bei der verhinderten Liebesgeschichte geht Gareth Edwards hier weit subtiler zu Werke als ähnliche Filme wie der vielfach für Vergleiche herangezogene Low-Budget-Hit "District 9", der die Aliens schon in der ersten Szene als Metaphern für afrikanische Slumbewohner formuliert. Zum einen kann "Monsters" als Kommentar zur US-amerikanischen Militärintervention im Irak und in Afghanistan gelesen werden, wobei die infizierte Zone als Kontrollbereich des Militärs, das hier die absolute Entscheidungshoheit innehat und mit Waffengewalt auf das Fremde reagiert, stellvertretend für die im Kriegszustand befindlichen Länder steht. Eindeutiger aber sind die Bezüge zur streng abgeriegelten Grenze zwischen den USA und Mexiko, die "Monsters" durch eine monströse CGI-Mauer künstlerisch überzeichnet. Und vielleicht fasst eine auf diese Abschottung bezogene Aussage von Andrew diesen sehenswerten, kammerspielartigen Monsterfilm (fast) ohne Monster noch besser zusammen, als das überraschende und nachdenkliche Finale: "It's strange to stare at the border – from outside."



Diese Filmkritik ist zuerst erschienen bei fluter.de.

 

Christian Horn / Wertung: * * * * (4 von 5)



Filmdaten

Monsters (2010)
(Monsters (2010))

GB 2010
Regie, Drehbuch & Kamera: Gareth Edwards;
Darsteller: Scoot McNairy (Andrew Kaulder), Whitney Able (Sam Wynden), Mario Zuniga Benavides, Annalee Jefferies u.a.;
Produzenten: Allan Niblo, James Richardson; Musik: Jon Hopkins; Schnitt: Colin Goudie;

Länge: 93,16 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 9. Dezember 2010



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