04.11.2014
Konflikt unterschiedlicher Generationen

Wir sind die Neuen


Wir sind die Neuen Was passiert, wenn drei verarmte Alt-68er eine WG aufmachen, weil sie nochmal so leben wollen wie früher, als sie noch studierten: mit gemeinsamem Haushalt, Diskussionen, Rotwein, Musikhören bis in die Nacht und allem, was sonst noch dazugehört? Das demonstriert uns dieser Film auf höchst vergnügliche Weise. Wer sind die drei? Sie heißen Anne (Gisela Schneeberger), Johannes (Michael Wittenborn) und Eddi (Heiner Lauterbach). Das Leben könnte so schön sein, doch sie haben nicht damit gerechnet, dass über ihnen noch eine WG haust. Diese besteht aus Studenten von heute, und die sind pflichtversessen, spießig und humorlos.

Katharina (Claudia Eisinger), Barbara (Karoline Schuch) und Thorsten (Patrick Güldenberg) geben den Oldies beim Vorstellungstermin arrogant und patzig zu verstehen, dass sie absolute Ruhe brauchen (die Examina stehen vor der Tür) und nicht bereit sind, den neuen Nachbarn zu helfen (z.B. etwas schleppen, etwas von der Apotheke holen, das Handymenu erklären...). So dauert es nicht lange, bis sich die völlig unterschiedlichen Trios in die Haare kriegen und ein handfester Generationenkonflikt ausbricht. Da gibt es Zoff bei den Fragen, wer wann das Treppenhaus reinigt (Eddi: "Wir putzen kein sauberes Treppenhaus"), wie laut nächtliche Feten sein dürfen (Katharina: "Ab jetzt ist Ruhe, absolute Ruhe! Sonst lernt ihr uns kennen!") und wer schuld an den heutigen Verhältnissen ist (Thorsten: "Wenn ihr damals ein bisschen flotter gewesen wärt, dann müssten wir heute nicht über Studiengebühren diskutieren!"). Lebenslust steht Karrieredenken gegenüber.

Wir sind die Neuen Doch plötzlich wendet sich das Blatt. Student Thorsten hat ein Bandscheibenproblem und muss gepflegt werden, Katharina sitzt verzweifelt vor ihrer juristischen Examensarbeit und kommt überhaupt nicht voran, Barbara hat Stress mit ihrem Freund, ist psychisch am Ende und leidet unter Weinkrämpfen. Unerwartet sind nun die Jungen auf die Hilfe der Alten angewiesen. So greift Michael, der Ex-Rechtsanwalt, Katharina bei ihrer Arbeit unter die Arme. Anne massiert Thorstens Rücken. Und Eddi tröstet Barbara in ihrem Liebeskummer. Am Schluss deutet sich bei einer feucht-fröhlichen Feier eine Versöhnung an. Die alte und die junge Generation haben begriffen, dass man nicht in Gegnerschaft verharren muss, sondern dass die Jüngeren auch von den Älteren lernen können.

Wir sind die Neuen Ralf Westhoff hat schon in "Shoppen" (2006) und in "Der letzte schöne Herbsttag" (2010) gezeigt, dass er dem Zeitgeist auf der Spur ist. In der neuen Komödie ergreift er nun eindeutig Partei für die Alten. Alle drei nehmen das Publikum sofort für sich ein, natürlich auch, weil sie von bekannten Schauspielern verkörpert werden. Die umwerfende Gisela Schneeberger (unvergessen ihre TV-Filme mit Gerhard Polt) ist die absolute Sympathieträgerin, sie ist Anne, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird (Stimme aus dem Off). Anne erscheint als fröhliche, lebenslustige Frau, von der erzählt wird, dass sie früher die Männer verrückt gemacht hat ("Immer ohne BH!"). Eddi kommt als raubeiniger, aber charmanter Typ daher, den Heiner Lauterbach (diesmal mit Bart) perfekt gestaltet. Johannes (Michael Wittenborn) ist ein Softie, der herrlich linkisch einen Flirtversuch mit einen netten Buchhändlerin startet. Die "Neuen" demonstrieren, dass "Jungsein" nur bedingt etwas mit dem biologischen Alter zu tun hat. Dagegen wirken die drei Jungspunde in ihrer Verklemmtheit geradezu lebensuntüchtig. Thorsten fotografiert z.B. den Herd mit seinem Smartphone. So kann er jederzeit nachprüfen, ob er ihn auch ausgemacht hat. Auf den Schubladen des Schuhschranks prangen Fotos von den darin enthaltenen Schuhen! Fast könnte man Mitleid mit den dreien haben. Die jungen Nachwuchsschauspieler haben's nicht leicht gegenüber den Profis, liefern aber respektable Leistungen ab.

Westhoff hat für sein Sextett brillante, flotte Dialoge geschrieben, aus denen immer wieder der Witz hervorblitzt. Sein Film behandelt aktuelle ernste Probleme (Älterwerden in unserer Konsumgesellschaft, Leistungszwang an den Universitäten, Mietpreise in München) auf eine heitere, ja bisweilen satirische Weise. Ob die Aussöhnung der Generationen wirklich gelingt, bleibt allerdings offen.  

Manfred Lauffs / Wertung: * * * * * (5 von 5) 
 

Quelle der Fotos: X-Verleih

 
Filmdaten 
 
Wir sind die Neuen  
 
Deutschland 2014
Regie & Drehbuch: Ralf Westhoff;
Darsteller: Gisela Schneeberger (Anne), Heiner Lauterbach (Eddi), Michael Wittenborn (Johannes), Claudia Eisinger (Katharina), Karoline Schuch (Barbara), Patrick Güldenberg (Thorsten), Julia Koschitz (junge Frau), Katharina Marie Schubert (Lena), André Jung (Paul), Gustav Peter Wöhler (Günther) u.a.;
Produktion: Ralf Westhoff, Westhoff Film, Florian Deyle & Martin Richter, DRIFE Filmproduktion; Kamera: Ian Blumers; Musik: Oliver Thiede; Schnitt: Uli Schön;

Länge: 91,37 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih der X-Verleih AG; deutscher Kinostart: 17. Juli 2014



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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