19.10.2010
Wie funktioniert das denn jetzt mit der Liebe?

Der letzte schöne Herbsttag


Der letzte schöne Herbsttag Wie wird man mit einem anderen Menschen zusammen glücklich? Dies ist die zentrale Frage des zweiten Films von Ralf Westhoff nach "Shoppen" (2007), "Der letzte schöne Herbsttag". Eine konkrete Antwort gibt es nicht - dies schon mal vorweg. Dennoch beschäftigt der Streifen sich mit den Hürden des Beziehungsalltags von Großstadt-Mittzwanzigern. Ein Stoff, mit dem sich viele identifizieren können und der somit den Nerv unserer schnelllebigen Zeit trifft.
Ralf Westhoff inszenierte eine spritzige, mehr oder weniger authentische Komödie mit dezent melancholischem Beigeschmack.

Eigentlich lieben sich Leo und Claire. Eigentlich. Ebenso besitzt der jeweils andere Eigenschaften, die so gar nicht mit den eigenen zusammenpassen wollen. Claire ist schwach und stark zugleich, sucht einen Beschützer, aber ist Frau genug, um ihr Fahrrad selbst zu reparieren. Sie ist nicht das Vorzeige-Mädchen, dennoch auf ihre Art weich und verletzbar. Gut ist bei ihr nicht gleich gut und Keime und Bakterien sind ihre größten Feinde. Leo ist das einfach zu hoch. Dabei will er doch eigentlich auch nur glücklich sein – zu zweit.
Gemäß seiner rationalen Art wäre ihm eine Claire-Gebrauchsanleitung lieb.

Claires eigene Analysen zu ihren Sehnsüchten und Ansprüchen kommen aber leider gar nicht bei ihm an. Er möchte lieber das Wetter genießen, wandern und gerne die Welt vor einer Klima-Katastrophe retten, anstatt Alltägliches zu problematisieren.
Missverständnisse, Enttäuschungen und Streit sind vorprogrammiert. Wie weit kann man sich und darf man sich verbiegen, damit eine Zweier-Beziehung gelingt? Claire und Leo probieren es aus.

Der letzte schöne Herbsttag: Filmplakat "Der letzte schöne Herbsttag" strotzt zwar nicht vor überwältigender Handlung, dennoch bringen die netten Dialoge und die schöne Bildsprache Kurzweile. Der Film konzentriert sich voll und ganz auf die Beziehung zwischen Leo und Claire. Westhoff hat dementsprechend auf viel Brimborium verzichtet: Er beleuchtet die Facetten einer modernen Beziehung und zeigt, dass Liebe nicht ausreicht, um zwei Individuen aneinander zu binden. Damit dieses Konzept funktioniert, bedarf es Authentizität. Da punktet der Streifen leider nur teilweise. Die Darsteller-Auswahl ist gelungen. Julia Koschitz als Claire und Felix Hellmann als Leo sind dem realen Leben entnommen. Vor allem optisch bieten sie Identifikations-Potenzial. Sie besitzen Ecken und Kanten, sind auf ihre Art attraktiv, ohne dass hier die Einheitsbrei-Schablone einer überzeichneten Scheinwelt angelegt wurde. Auch die gezeigten Episoden aus ihrem Leben sind authentisch. Die pointierten Dialoge bringen die Zuschauer zum Schmunzeln und teils zum Reflektieren: Ist das Glücklichsein heutzutage wirklich so kompliziert?

Leider touchieren die Gespräche manchmal das Mario-Barth-Niveau, bekommen aber meist die Kurve und zeigen plötzlich unerwarteten Witz und eine eigentümliche Tiefsinnigkeit.
Denn Fakt ist, Leo und Claire meinen es wirklich ernst miteinander, sind allerdings gefangen in Grübeleien, Verständnislosigkeit und dem Willen, eine Einheit zu bilden. Besonders die Sequenzen, in denen beide einzeln vor der Kamera ihre Problematik schildern, zeigen ihre Ratlosigkeit. Der Zuschauer erfährt nicht, mit wem sie sprechen, bekommt so aber einen detaillierten Einblick in ihren Schlamassel. Im Großen und Ganzen überzeugt auch hier der Film durch seine erfrischende und witzige Darbietung von menschlichen Sehnsüchten und Ansprüchen. Nicht zuletzt die schauspielerische Leistung von Koschitz und Hellmann trägt dazu bei. Wild gestikulierend und hoffnungslos planlos über die Situation, versuchen sie, ihrem Partner die Schuld für die unendlichen Diskussionen in die Schuhe zu schieben.

Der letzte schöne Herbsttag Streckenweise grenzt es an Übertreibung, denn die Schauspieler reizen die Liebenswürdigkeit ihrer Charaktere so aus, dass sie eher persifliert wirken. Speziell Leos Stimme und Akzent wirken dann gekünstelt, während Claire zu viel kokettiert.
Ein weiteres Manko ist die Diskrepanz zwischen Claires powervoller Darstellung zu Beginn und ihrem letztendlichen Verhalten. Sie lamentiert zu viel, anstatt mal anständig auf den Tisch zu hauen. Als Zuschauer wird man ungeduldig und möchte am liebsten kurz mit in die Handlung eintauchen und sagen: "Mensch Mädchen, hör auf aus deinen Bambi-Augen zu schauen und nimm die Sache mal erwachsen in die Hand!"
Man vermisst die Stärke, die mit Emotionalität verbunden sein kann, um wirklich zu kämpfen. Claire bleibt nur auf der verletzbaren Ebene.

"Der letzte schöne Herbsttag" ist durch seinen Wortreichtum und sein intellektuelles Niveau trotz mancher Minuspunkte eine interessante Ausarbeitung von Beziehungen unserer Zeit. Der Film schreckt ab, da er die unendliche Komplexität von Liebe zeigt, die doch mit dem Ursprünglichen der Sache gar nicht zusammenpassen möchte. Und dennoch beweist er, wie wertvoll es ist, einen Menschen zu finden, mit dem man sein Leben teilen möchte. Vor allem dass es möglich ist – im Kern also eine frohe Botschaft.  

Jennifer Klinge  / Wertung:  * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: X-Verleih

 
Filmdaten 
 
Der letzte schöne Herbsttag   
 
Deutschland 2010
Regie & Drehbuch: Ralf Westhoff;
Darsteller: Julia Koschitz (Claire), Felix Hellmann (Leo), Katharina Marie Schubert (Ivonne), Leopold Hornung (Tobias), Ingrid Cannonier (Mutter), André Jung (Vater) u.a.; Produktion: eine Ralf Westhoff Produktion; Ausführende Produzenten: Florian Deyle, Martin Richter; Kamera: Helmfried Kober; Musik: Michael Heilrath; Schnitt: Uli Schön;

Länge: 85 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von X-Verleih; deutscher Kinostart: 11. November 2010



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<19.10.2010>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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