08.12.2017

The Counselor

El Paso, Texas: Eigentlich führt der "Counselor" (Michael Fassbender), ein Anwalt ohne Namen, inmitten der Armut an der mexikanischen Grenze ein Leben auf der Überholspur. Frisch mit seiner zauberhaften Geliebten Laura (Penélope Cruz) verlobt und materiell mehr als abgesichert, könnte der erfolgreiche Mann im Grunde zufrieden sein. Doch der Counselor will noch mehr Luxus. Also leiert er in Kooperation mit dem extravaganten Reiner (Javier Bardem), der mit seiner verruchten Gespielin Malkina (Cameron Diaz) in einer pompösen Villa lebt, einen gewinnträchtigen 20-Millionen-Dollar-Drogendeal an. Doch schon bald führt eine Verkettung von Zufällen, die der Counselor nicht zu verantworten hat, zum Platzen der Aktion. Von nun an befindet sich der Anwalt in höchster Lebensgefahr, was ihm der plötzlich auftauchende "Problemlöser" Westray (Brad Pitt) mehr als verdeutlicht. Wie eine Ratte in der tödlichen Falle strampelt der Counselor um sein Leben, ohne jemals zu überblicken, nach welchen Regeln sich die Schlinge zuzieht.

Schon mit seinem Debütfilm "Die Duellisten" (GB 1977) zeigte der Brite Ridley Scott ein großes Gespür für die visuelle Ausgestaltung eines Kinofilms. Als vormaliger Werbefilmer zementierte Scott seinen Ruf als großer Kinoästhet mit Klassikern wie "Alien" (USA 1979) oder "Blade Runner" (USA 1982). Scotts aktueller Film ruft nun ästhetisch gewisse Erinnerungen an seinen Copthriller "Black Rain" (USA 1989) wach: Beide Filme leben von einer ausgefeilten Bildsprache und einer bedrohlichen Atmosphäre, die sich in gelegentlichen Gewaltakten entlädt und jede Handlung der Protagonisten mit der Möglichkeit auf ein baldiges Ableben überzieht.

Das auffälligste Stilmerkmal von "The Counselor" sind jedoch nicht die atmosphärisch sehr stimmigen Bilder, sondern die zahlreichen Dialoge, die Michael Fassbender meistens als passiven Zuhörer ins Bild setzen. Der schrille Gangster Reiner und der Cowboy-mäßige Westray erzählen dem Anwalt regelmäßig grauenerregende und plastische Anekdoten, die wahlweise von der rohen Brutalität der Drogenkartelle oder von animalischen Sexfantasien berichten. Alle diese Gespräche, die oft und durchaus bewusst in pseudo-philosophische Weisheiten driften und Thriller-Klischees bedienen, teilen eine Struktur, die auch für den Film als ganzen konstitutiv ist: Während die Berichte in einem gemütlichen Plauderton beginnen, enden die kleinen Geschichten – begleitet von beunruhigender Filmmusik – wiederholt in mahnende Ansprachen, die dem Protagonisten die Ausweglosigkeit seiner Situation offenlegen. Und genau davon handelt "The Counselor": von der lähmenden Todesangst, die im Anwalt aufsteigt, und der absoluten Hoffnungslosigkeit, die dem Mann zu keiner Sekunde eine Chance auf einen glimpflichen Ausgang einräumt.

"Ach", sagte die Maus, "die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe." – "Du musst nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.

Die oberflächlich wenig tiefgründige Story und die wie erwähnt oft klischeehaften, aber meist doppelbödigen Dialoge sind keineswegs das wesentliche Merkmal des Thrillers. Das Drehbuch von Cormac McCarthy, der für seinen Roman "The Road" einen Pulitzer-Preis erhielt und das Skript zum Oscar-prämierten "No Country for Old Men" verfasste, arbeitet mit einer cleveren Erzählstruktur, die Informationen geschickt verteilt beziehungsweise zurückhält. Besonders deutlich ist dies an der Tatsache ablesbar, dass die mächtigen Drogenbarone, die im Hintergrund die Strippen ziehen, stets im Verborgenen handeln. Von einer kleinen Szene abgesehen, rücken die scheinbar allmächtigen Hintermänner nie ins Bild. Die Überlebenschancen des Anwalts, der sich nie erklären kann, sinken damit auf Null.

Ein wenig erinnert "The Counselor" mit der undurchdringlichen und unaufhaltsamen Struktur der Bestrafung an die Prosa von Franz Kafka: Wie Josef K. aus "Der Prozess", K. aus "Das Schloss" oder die Maus aus der oben zitierten "Kleinen Fabel" muss der Counselor ein unbarmherziges Urteil ertragen, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, nach welchen Maßstäben die Vergeltung der Drogenbarone funktioniert – und ohne Aussicht auf einen Freispruch. Ebenfalls wie bei Kafka zeigen Scott und McCarthy keineswegs Mitleid mit der Hauptfigur, die sich dank der eigenen Geldgier die Luft zum Atmen abschnürt. Dass der "Held" ausgerechnet ein Anwalt ist, der sich als vollständig Entrechteter nicht einmal ansatzweise verteidigen kann, ist eine feine, ebenfalls "kafkaeske" Ironie.



Diese Filmkritik ist zuerst erschienen bei fluter.de.

 

Christian Horn / Wertung: * * * * (4 von 5)



Filmdaten

The Counselor
(The Counselor)

USA/GB 2013
Regie: Ridley Scott;
Darsteller: Michael Fassbender (Counselor), Penélope Cruz (Laura), Cameron Diaz (Malkina), Javier Bardem (Reiner), Bruno Ganz (Diamantendealer), Brad Pitt (Westray), Rosie Perez (Ruth), Edgar Ramírez (Priester), Goran Visnjic (Banker), Rubén Blades (Jefe), Emma Rigby u.a.;
Drehbuch: Cormac McCarthy; Produzenten: Paula Mae Schwartz, Steve Schwartz, Ridley Scott, Nick Wechsler; Kamera: Dariusz Wolski; Musik: Daniel Pemberton; Schnitt: Pietro Scalia;

Länge: 117,29 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; deutscher Kinostart: 28. November 2013



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