03.09.2009
Eine Hommage ans Kino - im Telenovela-Stil

Zerrissene Umarmungen


Zerrissene Umarmungen: Rubén Ochandiano, Penélope Cruz Fast genau drei Jahre nach seinem schönen Film "Volver – Zurückkehren" kam mit "Zerrissene Umarmungen" ein neues Melodram des Meisterregisseurs Pedro Almodóvar in die deutschen Kinos. Wieder, wie unter anderem in "Volver", spielt Penélope Cruz die Hauptrolle. Aber das übliche Dreamteam des spanischen Films versagt hier leider. Zwar drohte Almodóvars stets poppiger Stil in allen seinen Werken ins Kitschige abzugleiten, doch der Regisseur hielt bislang die Balance – in "Zerrissene Umarmungen" ist dies erstmals schiefgegangen.

Die beiden Liebenden in "Zerrissene Umarmungen" schauen sich einen Filmklassiker an. Es ist "Reise in Italien" von Roberto Rossellini aus dem Jahr 1954. In einer Szene zeigt ein Touristenführer dem von Ingrid Bergman und George Sanders gespielten Paar zwei in Gips gegossene Skelette, die einst vom Ausbruch des Vesuv überrascht und von der Lava eingeschlossen worden waren. Die Skelette umarmen sich, im Todeskampf liebten sich die beiden. Ingrid Bergmans Rollenfigur ist erschüttert, und so auch die junge Frau, die sich "Reise in Italien" ansieht. Es ist Lena (Penélope Cruz), die von ihrem Freund Mateo Blanco (Lluís Homar) damit getröstet wird: Sollte es ans Sterben gehen, werden auch sie sich umarmen. Zerrissene Umarmungen: Penélope Cruz, José Luis GómezEs kommt zum Sterben schneller als gedacht, ein Autounfall reißt sie aus ihrem Glück. Lena kommt ums Leben, an ihrer Seite erblindet Mateo bei dem Unfall – und bereut es sein Leben lang, dass sie sich dabei nicht umarmt haben. 14 Jahre nach dem Unfall erfährt Mateo: Es gab kurz vor Lenas Tod immerhin noch einen leidenschaftlichen Kuss zwischen ihnen, den er vergessen hat – gefilmt im Auftrag des eifersüchtigen Ernesto Martel (José Luis Gómez), mit dem Lena eigentlich verbandelt war. Martel ließ seinen Sohn das mutmaßliche Liebespaar mit der Kamera verfolgen, und eine Lippenleserin las danach für Martel monoton die leidenschaftlichen Sätze von Lena und Mateo von der Leinwand ab, die die Kameraaufzeichnungen nur stumm hergaben.

Man erkennt, allein wenn man diese letztbeschriebene Szene betrachtet: Pedro Almodóvars Film "Zerrissene Umarmungen" ist auch eine Hommage ans Kino. Leider ist der Film selbst nicht großes Kino. Der ansonsten stets großartige spanische Regisseur Pedro Almodóvar kann seinen Film diesmal nicht vor einer an schlechte Telenovelas erinnernden Machart bewahren. Almodóvar hat uns in seiner Karriere intelligente, bunte Filme präsentiert, Filme mit eigenem Stil, die Almodóvar zu einem der wichtigsten europäischen Regisseure der Gegenwart werden ließen. Hier hingegen lässt Almodóvar den Kitsch regieren. Zerrissene Umarmungen: Tamar Novas, Blanca Portillo, Lluís HomarSpätestens als Martel Lena die Treppe hinunterstößt, ist es um einen sauberen Inszenierstil geschehen. Und Almodóvar macht die Story unnötig kompliziert, indem er die unterschiedlichen Zeitebenen – der Film spielt 2008 und blickt vielfach in die Jahre 1992 und 1994 zurück – in ungeschickter Weise miteinander verwebt, dabei neue Erzählstränge und Wendungen einsetzt, die die Handlung nicht fördern. So will Mateo, der einstige Starregisseur, der Lena, die Sekretärin und Geliebte Martels, für den Film entdeckte, nach dem Tode Lenas und dem Verlust des Augenlichts nur noch Harry Caine genannt werden. So berichtet Mateos bzw. Harry Caines Agentin Judit (Blanca Portillo) als weitere unnötige Wendung, sie habe mit Martel unter einer Decke gesteckt, als es darum ging, Mateos letzten mit Lena gedrehten Film zu sabotieren. So berichtet Judit gegen Ende des Films ihrem Sohn Diego (Tamar Novas) als zusätzliche unnötige Wendung, dass Mateo sein Vater sei.

Erotik und Erniedrigung, Liebe und Rache, das sind die universellen Themen, die in sämtlichen Filmen Pedro Almodóvars thematisiert werden; in diesem Film noch mehr, noch faszinierender als in seinen anderen Werken. So ist "Zerrissene Umarmungen" sehenswert, trotz der Mängel, die Almodóvar diesmal unterlaufen sind.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * (2 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Tobis

 
Filmdaten 
 
Zerrissene Umarmungen (Los abrazos rotos) 
 
Spanien 2009
Regie & Drehbuch: Pedro Almodóvar;
Darsteller: Penélope Cruz (Lena), Lluís Homar (Mateo Blanco / Harry Caine), Blanca Portillo (Judit Garciá), José Luis Gómez (Ernesto Martel), Tamar Novas (Diego), Rubén Ochandiano (Ray X / Ernesto Martel Jr.), Ángela Molina (Lenas Mutter), Rossy de Palma (Julieta) u.a.; Produktion: Esther García; Ausführende Produktion: Agustín Almodóvar; Kamera: Rodrigo Prieto; Musik: Alberto Iglesias; Länge: 127 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Tobis; deutscher Kinostart: 6. August 2009



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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