19.02.2016
Ein Film der 66. Berlinale 2016, Sektion Wettbewerb

Zero Days


Ja, er sei wütend, sagt Alex Gibney auf der Pressekonferenz auf der Berlinale. Wütend über das unglaubliche Ausmaß an Geheimhaltung in den USA und darüber, wie es etwas Zwanghaftes geworden sei, das der Demokratie schadet. Sein packender Cyber-Thriller konzentriert sich nominal auf den Computer-Wurm Stuxnet. Dahinter jedoch steht ein neues Postulat gegen Obskurantismus.

Zero DaysUnterschwellig spielten die Mechanismen von Geheimhaltung und Vertuschung bereits in mehreren Filmen des umtriebigen Regisseurs eine Schlüsselrolle. "Taxi to the Dark Side", für den er 2008 einen Oscar gewann, "Casino Jack and the United States of Money" (2010), "We steal Secrets: The Story of WikiLeaks" (2013) und zuletzt "Going Clear: Scientology and the Prison of Believe" (2014) behandelten alle neben ihrer spezifischen Thematik die politischen, sozialen und humanen Konsequenzen von großangelegter staatlicher oder klerikaler Verschleierungstaktik. In Gibneys jüngstem Werk grenzt die totalitäre Geheimhaltung an Aberwitz. Manchmal erzeugt das Mantra von Insidern wie dem einstigen Vorsitzenden von CIA und NSA General Michael Hayden, sie könnten über Stuxnet nicht sprechen, eine absurde Komik. Es ist Galgenhumor, denn das Gespenst von Cyber-Krieg und Hightech-Terrorismus geistert bereits durch die digitale Welt. "Sie haben die Büchse der Pandora geöffnet", heißt es von Seiten anonymer Geheimdienstmitarbeiter, die eine Schauspielerin vor der Kamera verkörpert. Ihre Silhouette ist zur virtuellen Grafik verzerrt: eine von vielen visuellen Spielereien, die der Datenflut die Dynamik eines Hochglanz-Spionagefilms verleihen sollen. Dabei lenken die Gimmicks eher von den essentiellen Inhalten der brisanten Reportage ab.

Zero Days Gibney, der seine Filme im schwindelerregenden Tempo von drei bis vier pro Jahr rausschießt, ist nicht naiv, sein Ansatz ebenso pragmatisch wie konsequent. Er kennt die Skrupellosigkeit der internationalen Machthaber und weiß, dass der Zuschauer sie kennt. Genau wie Stuxnet. Um sich über den Wurm zu informieren, braucht es keinen Kinobesuch. Alles steht online. Was "Zero Days" leistet, ist die verwirrende Vielfalt an Tatsachen, Theorien und Spekulationen zu einem analytischen Bild zusammenzutragen. Die Hintergründe der Medien-Story von 2010 sind technologisch präzise und verständlich komprimiert. Alles beginnt mit einem Team aus militärischen Spezialisten und Nerds, wie aus einem Hollywood-Script: "Ein Typ brachte ein paar Tausend Legosteine mit und baute daraus einen riesigen Todesstern." Was die mit Fast Food und Laserschwertern ausgerüsteten IT-Profis außerdem für die USA und Israel bauten, war ein Computer-Wurm, der die komplette Infrastruktur und Technik eines Landes lahmlegen konnte. Ziel war der Iran und dessen Atomprogramm. Den Spezialisten von Symantec und Kaspersky Lab war klar, wer die üblichen Verdächtigen waren. Doch bis heute gestehen die USA ihre Beteiligung daran und der dahinter stehenden Operation "Olympic Games" nicht ein.

Die widersinnige Verschwiegenheit macht die Diskussion unmöglich. Bedrohlicher als die Waffe ist das Schweigen darüber. "Zero Days" zeigt mit dem Finger darauf, wie das Kind auf den Kaiser ohne Kleider. Trotz der hektischen inszenatorischen Anleihen bei "Matrix" und "Tron" ist das ein bitter nötiger Akt.  

Lida Bach / Wertung: * * * * (4 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Berlinale

 
Filmdaten 
 
Zero Days (Zero Days) 
 
USA 2016
Regie: Alex Gibney;
Produzenten: Marc Shmuger, Alex Gibney; Kamera: Antonio Rossi, Brett Wiley; Musik: Will Bates; Schnitt: Andy Grieve;

Länge: 118,49 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 1. September 2016



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Der Film im Katalog der Berlinale
<19.02.2016>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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