03.05.2012
Die fatale Optimierung des arbeitenden Menschen

Work Hard - Play Hard


In ihrem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm "Work Hard – Play Hard" zeigt Regisseurin Carmen Losmann in erschreckender Nüchternheit den New Change von Großunternehmen in unserer postindustriellen Gesellschaft.

Work Hard - Play Hard In vier Jahren hat die studierte Betriebswirtin mehrere große Unternehmen in deren Arbeitsalltag bei Geschäftsbesprechungen, Assessments und Präsentationen begleitet und 100 Stunden Filmmaterial zusammengetragen. Die kongeniale Kameraführung von Dirk Lütter, der jüngst mit seinem Film "Die Ausbildung" die Kritiker überzeugen konnte, zeigt, wie wichtig ihm die Pausen zwischen den Sätzen der Menschen sind, die in Verbindung mit scharfen Großaufnahmen beim Betrachter oft ein Gefühl der Beklemmung hervorrufen.

Längst hat der Stechuhr die letzte Stunde geschlagen, doch paradoxerweise führt die scheinbare Freiheit der Arbeitszeiteinteilung regelmäßig zu Überarbeitung und Mechanisierung. Dubiose Arbeitsplatzkonzepte wie das der non-territorialen Office Spaces sollen angeblich der Persönlichkeit der Angestellten Rechnung tragen, persönliche Dinge am Arbeitsplatz sind gleichzeitig tabu, der Arbeitsplatz wird entindividualisiert, der Mensch allein auf seine Arbeit reduziert. Daran können auch extra eingerichtete Kaffenischen für einen informellen Austausch nichts ändern, denn wer möchte sich schon "spontan vornehmen", sich an einem eigens dafür vorgesehenen Ort auszutauschen?

Bilder an der Wand waren gestern, der moderne Arbeitsplatz hat sich in Richtung Holodeck weiterentwickelt. Wasserfälle, Eislandschaften und dichte grüne Wälder werden in einer Diashow ohne Unterbrechung abgespielt, was aber eher den Eindruck verstärkt, dass man gerade nicht dort ist, wo man vielleicht gerne wäre – nämlich nicht am Arbeitsplatz. Echte Baumgruppen zum Anfassen stehen in den futuristischen Glaskomplexen der Firmenzentralen zwar alle ordentlich in Reih und Glied. Im Film sieht man jedoch niemanden diese kleinen Oasen nutzen, es bleibt dabei: Die schönen Aussichten und der frische Wind müssen draußen bleiben.

Work Hard - Play Hard "Work Hard – Play Hard" ist mehr als eine bloße Dokumentation. Die Regisseurin verlässt ihre neutrale Einstellung im Film zu keiner Zeit. Selbst bei den sogenannten Outdoor Assessments der Firma Ellernhof, bei denen die Teilnehmer unter Tage, mit verbundenen Augen und Lolly im Mund Hindernisse überbrücken müssen, verlässt sie die Rolle der objektiven Beobachterin nicht. Dem Betrachter bleibt nichts anderes übrig, als sich ein eigenes Bild zu machen, und dieses sieht nicht rosig aus. Nicht im Totalstaat, sondern im New Way vieler Großunternehmen manifestiert sich der Orwellsche Große Bruder von "1984". Ob beabsichtigt oder nicht – zwecks Produktivitätssteigerung geben viele Unternehmen vor die Persönlichkeitsfreiheit zu fördern, betreiben aber Gleichschaltung am Arbeitsplatz.

Denn das globale Arbeitskonzept von heute sieht so aus, dass Job und Freizeit zur Kategorie Arbeit verschmelzen, Individualität wird ausdrücklich gewünscht, wenn sich die human resource Mensch zu 100 % mit der Arbeit deckt. Der arbeitende Mensch von morgen ist endgültig nichts mehr als ein Rädchen im Getriebe eines Management-Jargons, dessen Begriffe so modern wie unpersönlich wirken und die Optimierung der Arbeitseffizienz durch die Optimierung des Arbeitsmenschen anstreben.

Work Hard - Play Hard Der Film macht in seiner Ehrlichkeit und offenen Darstellung deutlich, dass in Zeiten höherer Lebenserwartung und steigender Mobilität scheinbare Freiheiten auch Gefahren mit sich bringen. Wird es vielleicht Zeit, dass wir allmählich Stellung beziehen in der alles entscheidenden Frage: Lebst du noch oder arbeitest du schon?  

Markus Malik  / Wertung:  * * * * (4 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Film Kino Text / hupefilm

 
Filmdaten 
 
Work Hard - Play Hard  
 
Deutschland 2011
Regie: Carmen Losmann;
Produzenten: Andreas Brauer, Martin Roelly, Erik Winker; Produktion: HUPE Film- & Fernsehproduktion; Kamera: Dirk Lütter, Matthias Schellenberg; Musik & Schnitt: Henk Drees;

Länge: 94,19 Minuten (24fps, d.h. im Kino) bzw. 91 Minuten (25fps, d.h. im Fernsehen); FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Film Kino Text; deutscher Kinostart: 12. April 2012



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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