21.03.2012
We Need to Talk About Kevin
![]() Der Name Kevin erinnert an den knuddeligen Kevin McCallister (Macaulay Culkin) in den 1990ern, der traurigerweise zu oft von seinen Eltern vergessen wurde und sich dann "Allein zu Haus" (1990) oder "Allein in New York" (1992) durchschlagen musste. Der kleine Sympathieträger hat mit unserem Kevin jedoch herzlich wenig zu tun. Viel mehr wird einem eine andere Rolle von Culkin ins Gedächtnis gerufen. In "Das zweite Gesicht" (1993) spielt der Jugendstar das pure Böse in der Manifestation eines 12-Jährigen, dem keiner seinen willkürlichen Hass zutraut.
Dabei zieht sich das Sujet der Farbe Rot wie ein – Achtung – roter Faden durch den ganzen Film. Ob die Tomatenschlacht im spanischen Pamplona thematisiert wird, das Haus der Mutter mit roten Farbbeuteln besudelt wird oder die Mutter sich andauernd Rotwein hinter die Binde gießt, die Farbe Rot durchzieht den kompletten Film und ist ein netter Einfall für einen alternativen Schwerpunkt des Films. Wieso dieses Sujet gewählt wurde und ob es überhaupt einen Grund gibt, kann selbstverständlich totinterpretiert werden, es soll aber zwecks möglicher Total-Irrelevanz an dieser Stelle darauf verzichtet werden.
Sieht man über diese kleineren Schwächen in der Erzähllogik hinweg, entwickelt sich ein sehr spannender Film mit tollen Charakteren. Oscarpreisträgerin Tilda Swinton spielt die teilweise unzulängliche und überforderte Mutter überzeugend. Trotz ständiger Zurückweisungen durch ihren Sohn versucht sie eine Beziehung zu ihm aufzubauen und die Gründe für seine Antipathie zu ergründen. Der wiederum wird im Kindesalter von Jasper Newell und im Teenageralter von Ezra Miller gespielt, ohne jedoch zu übertreiben. Der Zuschauer hat ständig das Gefühl, dass Kevin nicht grundlos so hasserfüllt agiert. Für Hobbypsychologen ist es unheimlich motivierend, hinter dessen Fassade zu blicken und vermeintlich Beweggründe zu erahnen. Am Ende erhält die Mutter und der Zuschauer auf die Frage "Warum?" eine Antwort, die man hochspekulativ im Nachhinein ausdiskutieren kann, aber mehr Fragen aufwirft als zu beantworten. Der Film geht an die Nerven, macht trotzdem Spaß und hat nahezu keine Längen. Wie aus einem Guss wird allmählich auf das Finale zugearbeitet, das so überraschend wie folgerichtig zugleich erscheint. Wem Filme gefallen, die im Genre des Psycho-Thrillers verhaftet sind, offene Fragen ungeklärt lassen und größtenteils Unbehaglichkeit ausstrahlen, der wird hier eine Goldgrube vorfinden. Daniel Forstner /
Wertung: * * * * *
(5 von 5)
Quelle der Fotos: Fugu Films Filmdaten We Need to Talk About Kevin (We Need to Talk About Kevin) GB / USA 2011 Regie: Lynne Ramsay; Darsteller: Tilda Swinton (Eva), John C. Reilly (Franklin), Ezra Miller, Jasper Newell, Rock Duer (alle: Kevin in verschiedenen Altersstufen), Ashley Gerasimovich (Celia), Siobhan Fallon Hogan (Wanda), Alex Manette (Colin) u.a.; Drehbuch: Lynne Ramsay, Rory Kinnear nach dem Buch von Lionel Shriver; Produzenten: Jennifer Fox, Luc Roeg, Robert Salerno; Kamera: Seamus McGarvey; Musik: Jonny Greenwood; Schnitt: Joe Bini; Länge: 110 Minuten (Kino) bzw. 105,45 Minuten (Fernsehen/Video/DVD); FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih von Fugu Films; deutscher Kinostart: 16. August 2012
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