26.01.2018
"Warum ich?"

Vakuum (2017)


Vakuum (2017): Barbara Auer Eine Frau, seit 35 Jahren verheiratet, erfährt zufällig, dass sie HIV-positiv ist. Erst will sie dies nicht glauben. Aber die zweite Untersuchung bestätigt es. Ihr Mann, mit dem sie eine gute Ehe führt, muss sie angesteckt haben, es gibt keine anderen Erklärungen. Denn frühere Operationen, die noch infrage kommen, waren nicht mit Bluttransfusionen verbunden. Die Frau reifen Alters findet heraus, dass der Mann bei Prostituierten war. Wie soll die Ehe jetzt weitergehen?
Der zweite Langspielfilm der Schweizer Regisseurin Christine Repond nach "Silberwald" 2011 hat eine Story, die auf den ersten Blick an Handlungen von Telenovelas erinnert. Aber Repond sorgt dafür, dass jedes Detail, jede Nuance stimmt – kurz: Die Filmemacherin nimmt den Stoff, den sie verfilmt hat, ernst (Drehbuch: Repond mit Silvia Wolkan). Zudem trägt die hervorragende schauspielerische Leistung des Leinwandstars Barbara Auer ("Die innere Sicherheit") den Film.

Merediths Stimme wird leise: "Warum ich?" Den auf HIV-Erkrankungen spezialisierten Arzt (der sich selber spielt) fragt sie dies. Eine banale Frage vielleicht, aber jeder an Merediths Stelle würde sie in dieser Ausnahmesituation stellen. Denn die Frau, die um die 60 ist und von ihrem Mann liebevoll Meri genannt wird, muss ihr Leben umkrempeln. Der Mann, den sie liebt und der sie auch zu lieben vorgibt, hat den Virus übertragen. Waren die 35 Ehejahre eine Lüge, fragt sich die Frau. Denn der Mann, André (Robert Hunger-Bühler, "Unter dir die Stadt"), hat zwar guten Sex mit ihr. Was auch gezeigt wird. Aber auch Sex mit anderen, Prostituierten. "Du fickst Nutten!" wird Meredith ihm an den Kopf werfen. Sie schmeißt ihn aus dem gemeinsamen Haus raus. Sucht Rat in Selbsthilfegruppen. Nimmt die Medikamente, die die Krankheit im Zaum halten. Aber sie wird ihren Mann vermissen. Und zurückholen. Wie sagen wir’s den Kindern?

Vakuum (2017): Barbara Auer, Robert Hunger-BühlerRegisseurin Christine Repond hat für ihren zweiten Spielfilm hinzugelernt. Ihr Film "Silberwald", den sie 2011 wie "Vakuum" 2018 beim Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Preis im Hauptwettbewerb vorstellte, krankte noch an Fehlern. Der Film endete, als er eigentlich beginnen müsste, als seine Handlung endlich in Schwung kommt: In "Silberwald" ging es um einen Jugendlichen, der sich Neonazis anschließt samt Mutprobe. Dazwischen leistete sich Repond Längen im Erzählen. In "Vakuum" ist das Gegenteil der Fall: Der Film bietet eine hohe Konzentration beim Schildern der Lebensumstände Merediths vor und nach dem Erfahren von der Erkrankung auf, detailliert erzählt Repond, wie die Heldin des Films zwischen Hass auf den Mann und Wunsch nach dem bisherigen wohlvertrauten Leben mit ihm schwankt. Zurückholen, ihm gar vergeben? Dies tut Meredith, nachdem ihre Gefühle im pro und contra und im Schmerz, dass der Mann fremdging, genauestens dargestellt werden. Jede Einzelheit stimmt. Auch in der Erläuterung, wie ein Mann eben mehr haben will, experimentieren will, wenn es um Sex geht. André trennte zwischen Zuneigung und dem Zweit-"fick", er liebt tatsächlich seine Frau. Sie ihn auch, sie brauchen einander. Ein großartiger Film über Lebensverhältnisse und die daraus entstandenen Abhängigkeiten mit einer ebenso großartigen Hauptdarstellerin Barbara Auer.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * * (5 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Dschoint Ventschr Filmproduktion

 
Filmdaten 
 
Vakuum (2017)  
 
Schweiz/Deutschland 2017
Regie: Christine Repond;
Darsteller: Barbara Auer (Meredith), Robert Hunger-Bühler (André), Anna-Katharina Müller (Irene), Oriana Schrage (Maja) u.a.;
Drehbuch: Christine Repond, Silvia Wolkan; Produzentin: Karin Koch; Produktion: Dschoint Ventschr Filmproduktion; Kamera: Aline László; Musik: Maurizius Stärkle Drux; Schnitt: Ulrike Tortora;

Länge: 80,47 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 14. März 2019

Ein Wettbewerbsfilm des 39. Filmfestivals Max Ophüls Preis 2018



Artikel empfehlen bei:  Mr. Wong Delicious Facebook  Webnews Linkarena  Hilfe

© filmrezension.de

home
  |  regisseure/schauspieler   |  e-mail
 über uns  |  impressum  


 
 
 
 
 
Homepage des Filmfestivals
<26.01.2018>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

Drucken

Artikel empfehlen
Mr. Wong Delicious Facebook Webnews Linkarena 
Hilfe