02.02.2020
The Royal Train
![]() Die Dokumentation Holzhausens sagt deutlich mehr über die Haltung des Regisseurs aus als über den Zug oder die königliche Familie. Obzwar man keinen Erzähler im Off hört, so wird durch die gewählten Bilder, die gewählten Einstellungen, die gewählten Interviews die innere Zerrissenheit und die Abwehr des Filmemachers selbst spürbar.
Dies alles erfahren wir aber nicht im Film. Was uns der Film auch nicht erzählt: Margareta ist 41, als sie beschließt, sich 1990 in ihrem eigentlichen Heimatland Rumänien niederzulassen. In der Schweiz aufgewachsen, hatte sie in Schottland studiert, in Italien bei den UN gearbeitet und ist nun in einem Land, dessen Sprache sie erst neu lernen muss. Sie ist 47, als sie den elf Jahre jüngeren rumänischen Schauspieler Radu Duda heiratet, der ihr bei der Einbindung ins Volk helfen soll. Aber warum dürfen wir diese wichtigen biografischen Hinweise nicht aus der Dokumentation erfahren?
Als Zuschauer wartet man vergeblich, endlich etwas Persönliches über Margareta zu erfahren, zu erkennen, was sie für eine Persönlichkeit hat, wie ihre Meinung zu alledem ist. Nur in einer kurzen Szene am Anfang darf man ihr vom westlichen Akzent geprägtes Rumänisch hören, in dem sie ihre Liebe zu ihrem Vater und zum Land betont. Im Rest des Films ist sie nur eine aus der Ferne gefilmte Frau.
Nun fragt man sich: Ist es legitim oder verwerflich, dass die Tochter eines Königs den Wunsch hat, das Erbe ihres Vaters zu treten? Der Zug soll jedenfalls helfen, die Königstochter den Menschen näher zu bringen. Immer zum rumänischen Nationalfeiertag, am 1.12., fährt er durch zugefrorene Wiesen und verarmte Dörfer von einem Bahnhofsempfang zum nächsten, alles auf der königlichen Webseite dokumentiert. Unbedingt erwähnenswert ist der im Streifen vorkommende Adrian Buga, der Interviews mit Menschen führt, die als Monarchisten politisch verfolgt wurden. Buga sucht und findet historische Überbleibsel der Monarchie – alte Speisekarten des royalen Zuges, Fotos, Wappen. Er bringt eine schüchtern bescheidene und dadurch noble Haltung eines nach nationaler Identität suchenden rumänischen Bürgers ein. Bereits als der Film abgedreht und geschnitten ist, stirbt der hochbetagte König im Alter von 96 Jahren. Eine tragische Lebensgeschichte geht zu Ende, die im Dokumentarfilm auch nur bruchstückhaft gestreift wird. Als junger Mann, gerade mal 18, war Mihai I König geworden und musste zwei Jahre später, 1947, durch ein Spalier Soldaten, die ihm den Rücken zuwandten, entehrt und enteignet, mit ebendem königlichen Zug ins Exil fliehen. Zwei Mal versucht er nach der Revolution von 1989 in sein Heimatland zurück zu kehren, aber die postkommunistische Iliescu-Regierung verwehrt ihm die Einreise. Erst 1997 erhält der traurige König die rumänische Staatsbürgerschaft wieder, aber es ist zu spät für ihn, er kommt nie wieder zurück, außer zwanzig Jahre später im Sarg. Er hatte die königlichen Privilegien allesamt an seine älteste Tochter übergeben. Die Filmemacher drehen trotzdem noch die letzte Zugfahrt des Königs zur Grabstätte, wo eine sichtbar trauernde Tochter feierlich Abschied nimmt. Hat sie jetzt den letzten Hauch ihrer Legitimität verloren, wie Holzhausen behauptet? Ist sie bloß eine inhaltslose Marionette in einem abgehobenen Schauspiel, wie der Film uns weismachen will? Ist das, in Holzhausens eigenen Worten, "ein Theaterstück, auf das sich das königliche Schauspielensemble aber auch ihr Publikum sorgfältig vorbereiten, mit dem Bahnsteig als Bühne"? Oder schafft sie es doch, dem Land moralische Integrität zu verleihen? Schafft sie es, dem Land eine zaghafte Hoffnung zu geben, nach der es sich verzweifelt sehnt? Die jetzige Regierung scheint einige Zusammenhänge erkannt zu haben, denn sie sprach der königlichen Familie 2018 ein Budget zu und arbeitet mit ihr zusammen. Aber das erfahren wir auch nicht im Film. Hilde Ottschofski /
Wertung: *
(1 von 5)
Quelle der Fotos: Navigator Film Filmdaten The Royal Train (The Royal Train) Österreich/Rumänien 2020 Regie: Johannes Holzhausen; Drehbuch: Johannes Holzhausen, Constantin Wulff; Produzenten: Johannes Rosenberger, Constantin Wulff, Johannes Holzhausen; Produktion: Navigator Film; Kamera: Joerg Burger; Schnitt: Dieter Pichler; Länge: 93 Minuten; FSK: unbekannt; ein Film im Verleih von Real Fiction Filmverleih; deutscher Kinostart: 13. Februar 2020
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