20.12.2012
Tunnelblick

The Corridor


Ein Lichtblick am Ende des Tunnels: Das ist genau das, worauf Tyler, sein bester Kumpel Chris (David Patrick Flemming), Chris' Cousin Bobcat (Matthew Amyotte), Jim, den alle Huggs (Glen Matthews) nennen, und Everett (Jim Gilbert) gewartet haben. Keiner der entfremdeten Jugendfreunde ahnt, dass der Lichtblick all die Zeit auch auf sie wartete. Draußen in den verschneiten Weiten Nova Scotias, fernab ihrer wachsenden Alltagssorgen, nahe dem Blockhaus von Tys verstorbener Mutter Pauline (Mary-Colin Chisholm). Dorthin lädt der psychisch labile Ty (Stephen Chambers) seine alten Freunde zu einem Männerausflug, der die verlorene Verbundenheit unter ihnen erneuern soll. Der Wunsch erfüllt sich in Evan Kellys eisigem Horrorfilm. Doch "The Corridor" bringt die Figuren an den Rand des Wahnsinns – und darüber hinaus.

In der menschenleeren Einöde stößt Tyler auf eine seltsam phosphoreszierende Fläche. Zuerst zieht er nur Chris ins Vertrauen über die seltsame Entdeckung, von der er selbst nicht weiß, ob sie nur ein Trugbild seiner anfälligen Psyche ist. Die anderen teilen seine Sorge und folgen Chris und Tyler, dessen psychiatrische Vorgeschichte schon vor der Handlungsgegenwart mit seiner Mutter Pauline beginnt. Sie liegt in der hitzigen Eingangsszene tot am Boden. Ihr augenscheinlicher Selbstmord führt bei Tyler zum Ausbruch eines Tobsuchtsanfalls. Er geht auf Chris und Everett mit dem Messer los und die Spuren dieses Vorfalls sind noch lange nach seiner anschließenden Einweisung in die Psychiatrie allzu deutlich, sowohl körperlich als auch emotional. Die Freundschaft zu Ty empfindet Chris zunehmend als Belastung. Davon haben er und die übrigen Protagonisten genug. Everett dümpelt am Endpunkt einer gescheiterten Karriere in einer Provinzbar, wo der Gewohnheitstrinker direkt an der Quelle sitzt. Bobcat betäubt sich statt mit Alkohol mit alten Videos seiner einstigen Erfolge als Footballspieler, beklagt sich über seine Ehe und den lästigen Nachwuchs, während Jim darunter leidet, keine Kinder bekommen zu können.

Die privaten Probleme und die überzeugenden Darsteller schaffen nicht nur authentische Figuren. Sie sind das entscheidende Handlungsmoment, an dem "The Corridor" ansetzt – im doppelten Sinne. Der sich beständig ausdehnende Tunnel erfüllt die Männer mit einem Gefühl der Ruhe, von dem sie nicht nur mental profitieren wollen. Der seelische Einklang geht jedoch weiter, als den Freunden anfangs klar ist und die Kehrseite der Ausgeglichenheit ist unkontrollierte Aggression. Einzig Ty ist durch die ihm verordneten Psychopharmaka von der Macht abgeschirmt und so in den grausamsten Part gezwungen: den des Zuschauers der Zerstörung. Einige der besten phantastischen Geschichten stellen den Protagonisten vor zwei gleichermaßen abschreckende Alternativen: entweder die übernatürlichen Vorkommnisse sind Einbildung und er selbst verrückt oder das Erlebte ist Wirklichkeit und der vertraute Entwurf der Realität ungültig. Ganz ähnlich ergeht es dem Hauptcharakter von "The Corridor", der die Bezeichnung Chiller nicht nur des frostigen Szenarios wegen verdient.

Das mit eiskalter Hand zupackende Spielfilmdebüt verknüpft Science-Fiction-Horror im Stil von Stephen Kings "Dreamcatcher" und John Carpenters "The Thing" mit der philosophischen Phantastik einer Episode von "The Outer Limits". Das titelgebende Objekt fügt sich dabei so ebenmäßig in die glitzernde Eislandschaft, dass es ein Teil der Natur sein könnte. In gewisser Weise ist es das sogar; auf welche muss jeder für sich entscheiden. Gerade dies macht den Schrecken des intelligenten Horrorerstlings aus und lockt in die unentrinnbare Tiefe von "The Corridor" – und in den Kinosaal.  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

 

 
Filmdaten 
 
The Corridor (The Corridor) 
 
Kanada 2010
Regie: Evan Kelly;
Darsteller: Stephen Chambers (Tyler Crawley), James Gilbert (Everett Manette), David Patrick Flemming (Chris Comeau), Matthew Amyotte (Robert 'Bobcat' Comeau), Glen Matthews (Jim 'Huggs' Huggan), Mary-Colin Chisholm (Pauline Crawley), Nigel Bennett (Lee Shephard) u.a.;
Drehbuch: Josh MacDonald; Produktion: Craig Cameron, Mike Masters; Kamera: Christopher Ball; Schnitt: Thorben Bieger;

Länge: 98 Minuten



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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