11.04.2017
Gefühle in der Pubertät

Siebzehn


Siebzehn: Elisabeth Wabitsch In der Provinz ist die Welt noch in Ordnung? In diesem Spielfilm nicht für 17-jährige Gymnasiasten wie Paula (Elisabeth Wabitsch), die kurz vor dem Abi, kurz vor der Volljährigkeit ihren Weg sucht. Und sich zu gleichaltrigen Mädchen hingezogen fühlt, was freilich eine verborgene Leidenschaft zu bleiben hat: Das Lästern, der Klatsch anderer ist mörderisch, weiß Paula, also himmelt sie heimlich ihre Mitschülerin Charlotte (Anaelle Dézsy) an. Die einen festen Freund hat.
Die Wiener Regisseurin Monja Art interessierte sich in ihrem Spielfilmdebüt, das in Saarbrücken im Januar 2017 den Max Ophüls Preis gewann, für die hormongesteuerten Gefühle samt allen sozialen Konsequenzen in einem Alter des Übergangs zwischen Kind- und Erwachsensein. "Siebzehn" ist nicht unbedingt künstlerisch wertvoll, weiß aber gut, wenn auch nicht brillant von den Nöten einer Schülerin als Einzelkämpferin vor der doppelten Reifeprüfung Schule und Leben zu erzählen.

Kurz vor "Siebzehn" startete der französische Film "Mit Siebzehn" von André Téchiné in den deutschen Kinos. Auch hier: Testosteron und Hormone, die das Leben Heranwachsender steuern in Sachen pubertärem Verhalten und Gefühlen (nach Gewaltausbrüchen gegeneinander verlieben sich zwei 17-jährige Burschen ineinander). Beide Filme thematisieren das Sich-selbst-Entdecken, das Sich-Ausprobieren in der Zeit des Übergangs zur Vollreife. Mit einem Blick zurück der beiden Filmemacher, die schon älter sind – Téchiné ist gerade 74 geworden, Monja Art immerhin 33 Jahre alt.

Siebzehn: Elisabeth Wabitsch, Anaelle Dézsy In Niederösterreich auf dem Land spielt die Handlung des Films "Siebzehn". Kurz vor den Sommerferien quälen Schülerinnen und Schüler ihren Lehrer mit Desinteresse. Sie haben anderes im Sinn: Sex. Und Klatsch und Tratsch: Wer geht neuerdings mit wem. Unter den Schülerinnen: Paula. Sie ärgert ihren Lehrer nicht, im Gegenteil, er ist hocherfreut, dass wenigstens sie sich bemüht und die französische Sprache perfekt kann. Noch etwas anderes an Paula ist anders als bei den anderen: Sie interessiert sich nicht für Jungs, sondern fängt an, Charlotte zu begehren. Da diese einen Partner hat, scheint die Lage hoffnungslos. Paula stürzt sich nicht nur in eine heterosexuelle Affäre, sie lässt auch Mitschülerin Lilli (Alexandra Schmidt) mit ihren Gefühlen spielen.

Paula wird an einem Französisch-Wettbewerb teilnehmen, in dem sie Proust und Flaubert rezitiert. Literatur, die von vergeblicher Liebe handelt. Für die Mitschülerinnen und Mitschüler ist Paulas Interesse an Französisch, wie könnte es anders sein, die Grundlage für einen doppeldeutigen Witz – "Französisch" steht auch für Sex mit dem Mund.

Siebzehn: Auf dem Weg zum Sprachwettbewerb: Paula (Elisabeth Wabitsch) Filmemacherin Monja Art, die auch das Drehbuch verfasst hat, kümmert sich durchaus liebevoll und mit viel Empathie um die Emotionen ihrer Protagonisten, um deren Leid, jemanden nicht zum Partner zu kriegen oder von diesem verstoßen zu werden, kurz: um die Probleme in der Pubertät von noch nicht erfahrenen, noch verspielten, alles ausprobierenden Heranwachsenden. Manchmal greift Monja Arts Erzählweise zu kurz: Der Junge namens Tim (Alexander Wychodil), der merkt, dass Paula ihn nicht liebt, obwohl sie mit ihm etwas angefangen hat, greift zu Tabletten, vielen Tabletten. Seine Selbstmordabsicht wird gezeigt und doch von Art sogleich wieder vom Tisch gewischt. Arts Interesse gilt mehr den Mädchen. Ihre Neigungen, Ab- und Zuneigungen untersucht sie akribisch. In der Hinsicht ist "Siebzehn" gelungen. Als künstlerisch wertvolles Werk nicht so sehr, erinnert die Dramaturgie eher an einen Fernsehfilm.

Die Wahl, den Film beim Saarbrücker Max Ophüls Preis als besten des Hauptwettbewerbs zu prämieren, ist eher als ein Trend der letzten MOP-Jahrgänge anzusehen: 2015 gewann "Chrieg"; 2016 "Einer von uns". Beide Gewinnerfilme thematisierten die Nöte Jugendlicher. In der Jury eines Jahrgangs findet sich stets der Regisseur des Vorjahres-Siegerfilms wieder. Es kann sein, dass der sich jeweils bei der Entscheidungsfindung durchgesetzt hat. "Siebzehn"-Hauptdarstellerin Elisabeth Wabitsch erhielt in Saarbrücken außerdem den Preis als Beste Nachwuchsdarstellerin.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Salzgeber & Co. Medien

 
Filmdaten 
 
Siebzehn  
 
Österreich 2016
Regie & Drehbuch: Monja Art;
Darsteller: Elisabeth Wabitsch (Paula), Magdalena Wabitsch (Magdalena), Vanessa Ozinger (Kathrin), Daniel Prem (Marvin), Peter Kubicek (Busfahrer), Anaelle Dézsy (Charlotte), Leo Plankensteiner (Michael), Alexander Wychodil (Tim), Christopher Schärf (Lehrer Florian Tangler), Alexandra Schmidt (Lilli) u.a.;
Produzent: Ulrich Gehmacher; Kamera: Caroline Bobek; Schnitt: Monja Art, Claudia Linzer;

Länge: 105,01 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Salzgeber & Co. Medien GmbH; deutscher Kinostart: 27. April 2017



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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