24. März 2005
Wenn Methusalem und Benjamin ein Komplott bilden
Reine Chefsache
Ein fast 52-jähriger Anzeigenleiter bekommt im Zuge einer
Übernahme einen neuen Chef vor die Nase gesetzt. Dan Foreman
(Dennis Quaid) kann zwar froh sein, nicht entlassen worden zu
sein. Aber so ist die Situation für ihn eher noch unerträglicher,
denn der neue Chef ist halb so alt wie er und ein komplett
unerfahrenes, sich peinlich gerierendes Greenhorn. Nur hat Carter
Duryea (Topher Grace) die besseren Beziehungen. Aber Foreman
die Fähigkeiten. Diese Komödie hätte die Gebrüder Weitz in der McCarthy-Ära der 50er Jahre mindestens in die Zwangsemigration geführt. Denn Filmklassiker wie Charlie Chaplins "Moderne Zeiten" lassen wenngleich nicht in puncto filmischer Qualität, sehr wohl aber auf Grund der jenen Filmen gleichen Intention durchaus grüßen. Die US-Filmemacher Weitz, bekannt geworden durch ihre Teenager-Komödien der "American Pie"-Reihe und ihre Nick-Hornby-Verfilmung "About a boy" teilen ähnlich unverfroren wie einst Chaplin Hiebe gegen die neuen Sitten in der Arbeitswelt aus. Das steigende mangelnde Sozialbewusstsein in den Unternehmen wird erfrischend geradlinig aufs Korn genommen.
Der Haken: Auch eine Farce, wie "Reine Chefsache" sie ist wird die angesprochenen für die Misere verantwortlichen Manager emotional kalt lassen. Der ethische Niedergang in der Wirtschaft sorgt schon dafür. Jener ethische Niedergang, der in Unternehmen für bessere Bilanzen, Rendite und höhere Chefgehälter das Opfern menschlicher Schicksale in Form von Entlassungen und Degradierungen fordert. Jener ethische Niedergang, den Paul Weitz als Regisseur und Chris Weitz als Produzent hier nahezu glänzend porträtieren. Nahezu - sie tragen zu dick auf, denn sie lassen sich ihrerseits von ATTACs forschem Pathos inspirieren. Damit unterlaufen den Weitz Platitüden, die der Realität mittlerweile entsprechen, auf der Leinwand letzten Endes übertrieben wirken. Ein junger Mann, zu dessen Fast-noch-Teenager-Gesicht der Designeranzug nicht recht passen will, blamiert sich in einer Redaktionskonferenz mit dem Vorschlag, ein Spielzeugkrokodil auf den Markt zu bringen. Eine Peinlichkeit, die keine ist, wenn man zum Ausgleich die Regeln des Spiels beherrscht: Die Vokabeln der New Economy kann Carter herunterbeten. So sinnfrei Begriffe wie Synergie, Cross-Promotion oder Profitmaximierung scheinen mögen, man verwende sie nur in elaboriert wirkender Oberflächensemantik, sodass Carters bloßer Schein wichtiger als sein Sein wird: Die Sprache gefällt und hebt ihn auf einen Chefposten.
Diesen Chefposten, Anzeigenleiter eines Sportmagazins, hatte bis dahin Dan Foreman inne. Dem Familienvater kurz vor seinem 52. Geburtstag wird nicht gekündigt wie vielen anderen seiner langjährigen Mitarbeiter - und Freunde. Ihn rettet die Tatsache, dass Carter frühzeitig eines erkennt: Beide sind aufeinander angewiesen, Carter benötigt Dans Erfahrung, die er selbst nicht hat, Dan das Geld. Der alte Fuchs Foreman erkennt seine Chance, seinen Job und das damit verbundene Gehalt, obwohl zum offiziellen Vize degradiert, zu retten: Carter ist noch nicht stabil als Führungskraft, also führt Dan ihn. Carter, der Jungspund, lässt sich führen. Frei nach Frank Schirrmacher: Methusalem und Benjamin bilden bald ein Komplott. Jugendwahn schlägt doch nicht ohne Weiteres Altersweisheit. Die Zweckverbindung konstruieren die Gebrüder Weitz nun genüsslich als eine Art Vater-Sohn-Verhältnis, denn Dan kann den Jungen auch privat sehr wohl prägen. Ist Dans Familie intakt, kann Carter in seinem Hochglanz-Appartement den von ihm verschuldeten Frust seiner Freundin nicht verstehen, die ihn verlässt, direkt nachdem ihn sein nagelneuer Porsche selbstverschuldet verlässt. Beziehung und teuren Boliden direkt hintereinander gegen die Wand gefahren - diese Allegorien für mangelnde Kompetenz in jeder Beziehung müssten jedem Ökonomen, der den Film sieht, zu denken geben. Sie machen Carter tatsächlich nachdenklich - weswegen Dans Tochter Alex (Scarlett Johansson) noch einen Rest Menschlichkeit in dem 26-Jährigen entdeckt. In jeder Hinsicht.
Tobis, der Verleiher des Films für den deutschsprachigen Markt, taufte den Film "Reine Chefsache". Damit ist die Doppeldeutigkeit des englischen Titels "In Good Company" verloren gegangen. In guter Gesellschaft - welch Ironie steckt da dahinter. Nicht nur die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, aber uneingeschränkter Bereicherung auf Optionsschein-Basis ist gemeint. Sondern desgleichen jene Gesellschaft sozialen Gemeinschaftssinns, diese suchend sich Carter an Dans Familie hängen lässt, während er gleichzeitig zur Destruktion des nicht nur spezifisch amerikanischen Traums Eigenheim und Familie seinen Beitrag leistet. So aber taucht im deutschen Filmtitel der Begriff Chefsache auf. Und gemahnt insbesondere an Bundeskanzler Schröders Formulierung, sich um die steigende Arbeitlosigkeit persönlich kümmern zu wollen. Ein zweckloses Unterfangen, haben doch die Regierenden in der Hinsicht die Macht längst an die Unternehmen abgegeben, respektive deren Chefs, die sich mitunter wie Gurus verehren lassen. Paul und Chris Weitz demonstrieren dies spöttisch: In der Schlüsselszene des Films führen sie einen von Malcolm McDowell dargestellten Protagonisten ein. Jener Teddy K zelebriert die Aura eines Sektenchefs mit sinnfreien Äußerungen, aber perfekter Bühnenshow. Foreman, als Einziger unbeeindruckt, gibt Kontra. Die Brüder Weitz begehen des öfteren in ihrer Komödie und vor allem in dieser Szene den Fehler, Pathetik sich mit Pathetik duellieren zu lassen. Damit schaden sie bei allen guten Ansätzen ihrer Intention, die sadistisch anmutende Zerstörung der sozialen Marktwirtschaft zu brandmarken.
Michael Dlugosch /
Wertung:
* * * (3 von 5)
Quelle der Fotos: Tobis Filmdaten Reine Chefsache (In Good Company) USA 2004 Regie: Paul Weitz; Darsteller: Dennis Quaid (Dan Foreman), Topher Grace (Carter Duryea), Scarlett Johansson (Alex Foreman), Marg Helgenberger (Ann Foreman), David Paymer (Morty), Clark Gregg (Steckle), Philip Baker Hall (Eugene Kalb), Selma Blair (Kimberly), Frankie Faison (Corwin), Ty Burrell (Enrique Colon), Kevin Chapman (Lou), Amy Aquino (Alicia), Zena Grey (Jana), John Cho (Petey), als Gast: Malcolm McDowell (Teddy K.) u.a.; Produktion: Paul und Chris Weitz; Ausführende Produktion: Rodney Liber, Andrew Miano; Co-Produktion: Kerry Kohansky; Assoziierte Produktion: Matt Eddy, Lawrence Pressman; Kamera: Remi Adefarasin; Musik: Stephen Trask; Länge: 110 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih der Tobis Film GmbH & Co. KG; deutscher Kinostart: 24. März 2005
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