06.12.2012
Verdi, Amore und das Altern

Quartett


Quartett "Bella figlia dell'amore" in wörtlicher und musikalischer Variation, Jazz nicht ausgenommen, stellt den musikalischen Sockel des Films dar. Das berühmte Quartett aus Verdis "Rigoletto" soll zur Jahresbenefizgala eines ganz speziellen Seniorenheims für Opernmusiker in England – genannt Beecham House – aufgeführt werden. Und da kommen Eitelkeiten über verlorene Stimmstärken, emotionale Verletzungen der Vergangenheit, Altersdemenz, aber auch – und das ist die wichtigste Botschaft des Films – Freundschaft und Liebe zum Tragen.

Die Diva Jean Horton, gespielt von Maggie Smith, besteht bei frischer Ankunft im Heim darauf, dass man für sie an vielen Stellen Ausnahmen macht. Sie verkracht sich schnell mit einigen Bewohnern durch ihre herrschaftliche Art, aber der Zuschauer wurde schon darauf vorbereitet, dass in ihrem Inneren etwas brodelt. Im Heim wohnt nämlich ihr erster von insgesamt drei Ehemännern – Reggie, gespielt von Tom Courtenay –, in dessen Seele es auch turbulent zugeht, als er hört, wer als Neuaufnahme unter demselben Dach wohnen soll. Diese beiden schauspielerischen Größen tragen den Film, charmant unterstützt von der liebenswerten vergesslichen Cissy (Pauline Collins) und dem gealterten Casanova Wilf (Billy Connolly), die das Quartett abrunden.

Quartett Leider erfährt man nichts über die "eigentliche Geschichte" dieser vier Menschen, und das ist schade. Der Fokus des Films liegt auf dem Konflikt zwischen Jean und Reggie und der jedoch auch nur angedeuteten musikalischen Laufbahn dieser Vier. Warum begeisterte Opernsänger verlassen im Heim leben, was sie im Kern ausmacht, das muss sich der Zuschauer zusammendenken. Dabei wäre es doch so schön gewesen, mal hinter den Bühnenvorgang zu sehen, um etwas über das "reale" Leben von Opernstars zu erfahren.

Die Musik spielt natürlich eine der Hauptrollen. Nicht nur Verdi-Arien, wie die im Chor gesungene "Brindisi"-Trinksprucharie aus der "Traviata", sondern auch Stücke aus dem Gilbert & Sullivan-Klassiker "The Mikado" woraus drei gealterte "Geishas" "The Flowers that Bloom in the Spring" trällern, Jazz-Einlagen "Are You Havin' Any Fun" (ein Hit von Flanagan & Allen aus den 1940ern), eine jazzige Saxophonversion der "Bella figlia..."-Arie oder Rap finden Eingang in den Film. Ein jugendlicher Workshopteilnehmer in Reggies Musikunterricht erklärt mit großer philosophischer Einsicht, dass Oper die Leidenschaft des Lebens und Gefühle mit Arien und Melodien ausdrückt, und Rap das gleiche mit Wörtern macht.

Quartett Beim Regie-Erstlingswerk eines Meisterschauspielers wie Dustin Hoffman sind die Erwartungen des Publikums groß. Wenn das Drehbuch auch noch auf einem erfolgreichen Theaterstück basiert, und herausragende Schauspieler sowie die Musik von Verdi dazukommen – dann sind die Erwartungen noch größer. Aber auch wenn der Film optisch, musikalisch und schauspielerisch ein Genuss ist – und deshalb schon empfehlenswert –, so plätschert er doch etwas seicht zum sehnsüchtig erwarteten Höhepunkt am Ende hin. Thematisch ähnlich ist es John Madden in "Best Exotic Marigold Hotel" besser gelungen, über das Altern und allem, was dazu gehört, nachzudenken und mit einem Schmunzeln nachdenklich zu machen. Musikalisch wird am Ende ein Sahnehäubchen mit Pavarotti im "Bella figlia"-Quartett von Rigoletto präsentiert – auch wenn man da gerne hinhört, hätte eine Interpretation durch älter gewordene Operngrößen besser hineingepasst. Dennoch entschädigt der überraschende Schluss – zumindest inhaltlich – über das Warten und man verlässt den Saal voller Musik in den Ohren beseelt mit dem Gedanken, dass echte Liebe immer jung bleibt.  

Hilde Ottschofski / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: DCM

 
Filmdaten 
 
Quartett (Quartet) 
 
GB 2012
Regie: Dustin Hoffman;
Darsteller: Maggie Smith (Jean), Tom Courtenay (Reginald alias Reggie), Billy Connolly (Wilf), Pauline Collins (Cissy), Michael Gambon (Cedric) u.a.;
Drehbuch: Sir Ronald Harwood nach seinem Theaterstück; Produzenten: Finola Dwyer, Stewart Mackinnon; Kamera: John de Borman; Musik: Dario Marianelli; Schnitt: Barney Pilling;

Länge: 102,09 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von DCM; deutscher Kinostart: 24. Januar 2013



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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