14.05.2011
Der blutige Pfad Gottes

Priest


Priest: Paul Bettany "Ich kenne den Blick eines mordlustigen Mannes", sagt einer der Protagonisten über "Priest". Mit dem Dialogsatz fällt sich der Horrorfilm gleichsam selbst das Urteil. Den Blick eines mordlustigen Mannes kennt der Beobachter von "Priest" nicht minder als der Gefährte der Hauptfigur, der ihn anspricht. Es ist der Blick Scott Stewarts, des Regisseurs des futuristischen Westerns. Eine Perspektive, die kaum etwas gemein hat mit der von Min-Woo Hyung, dem Autor der gleichnamigen Comicvorlage. Hyungs 16-bändiger Manga erzählt eine verschlungene Saga bevölkert von ambivalenten Charakteren. Das dunkle Epos erschafft eine eigene Welt, in der sich Elemente des klassischen Western, christlicher Religion und asiatischer Tradition zu einer dystopischen Horrorvision verbinden. Weit erschreckender ist die Verfilmung von "Priest", welche die harschen Schwarz-Weiß-Bilder des Mangas gegen schwarz-weiße Charakterzeichnungen eintauscht und die optisch zweidimensionale Saga zu einem eindimensionalen 3D-Spektakel verflacht.

Im Grunde ist "Priest" keine Adaption. Das Drehbuch von Cory Goodman ist weniger und mehr als eine Verstümmelung des Originals. Die ausführliche Geschichte der Vorlage dient dem Kinofilm lediglich als Quelle, aus der er Szenario und Namen der Figuren abschöpft. Der zentrale Handlungsträger (Paul Bettany) ist ein Namenloser. "Priester" nennen ihn die anderen nach der uralten Kriegerkaste, der er angehört. In der filmischen Parallelrealität sind die Priester Ausgestoßene, die ein an eine Mischung aus stilisiertem Kruzifix und Militärabzeichen erinnerndes Kreuz gleich als sinnbildliches Kainsmal auf der Stirn tragen. Einst waren die im Wortsinne als Gotteskrieger Auserwählten die Beschützer der Menschen gegen die Vampire. Die an Aliens erinnernden Kreaturen sind eine nackte, augenlose Verkörperung animalischer Instinkte; Gegenteil des durch Keuschheitsgelübde gebundenen Klerus und der gottesfürchtigen Bevölkerung. Aus dem finsteren Großstadtmoloch wurden die Blutsauger in das umliegende Ödland verdrängt. Mit der jungen Lucy (Lilly Collins) als Gefangener plant deren menschenähnlicher Anführer Black Hat (Karl Urban) einen Gegenschlag. Nur der Priester, begleitet vom Sheriff Hicks (Cam Gigandet) und einer Priesterin (Maggie Q), kann die Menschen retten – und Lucy, die mehr als seine angebliche Nichte ist.

Priest: Filmplakat Die auf martialische Phrasen beschränkt Titelfigur ist der Lonesome Rider der Wild-West-Klischees evozierenden Staub-Wüste. Gleich den übrigen Protagonisten ist der Priester weniger Charakter als wandelndes Stereotyp, nicht trotz, sondern aufgrund seiner inhumanen Brutalität zu idealisiert, um als Anti-Held zu gelten. "Die harte Tour war mir schon immer lieber", verkündet der Priester programmatisch für das fantasielose Gewaltspektakel. Den skeptischen Blick des Mangas auf organisierte Religion verdrängt deren Verherrlichung in einer tumben Kampforgie, gerichtet gegen alles Andersartige und Andersdenkende. Dessen Personifikation ist Black Hat, der Hedonismus über biedere Kirchenlehre stellt: "Wer nicht sündigt, hat auch keinen Spaß", sagt der nach Lucys unschuldigem Blut Dürstende. Sekunden bevor seine Zähne ihren Hals penetrieren und jungfräuliches Blut vergießen greift der lange Arm der Kirche mit Martial-Arts-Kunststückchen ein. Dieses sogenannte "gun fu" setzt die lustfeindliche Filmmoral durch, die Folter verherrlicht und die Todesstrafe als einziges Urteil akzeptiert.

Priest: Maggie Q als Priesterin Seine deprimierende Quintessenz formuliert "Priest" schon im ersten Satz: "Eines scheint festzustehen: Es hat schon immer Menschen gegeben und es hat schon immer Vampire gegeben." Die mit bigotter Moral unterfütterte Actionmär ist ein cineastischer Wiedergänger, dessen Opfer die Comicvorlage ist. Von der Geschichte bleibt eine blutleere Hülle, so fahl und geistlos, dass man sie nur bemitleiden kann.  

Lida Bach / Wertung:  0 von 5 
 

Quelle der Fotos: Sony Pictures

 
Filmdaten 
 
Priest (Priest) 
 
USA 2011
Regie: Scott Charles Stewart;
Darsteller: Paul Bettany (Priest), Karl Urban (Black Hat), Cam Gigandet (Hicks), Maggie Q (Priesterin), Lily Collins (Lucy Pace), Stephen Moyer (Owen Pace), Christopher Plummer (Monsignore Orelas), Alan Dale (Monsignore Chamberlain), Mädchen Amick (Shannon Pace), Brad Dourif, Reiner Schöne u.a.;
Drehbuch: Cory Goodman nach der Graphic Novel von Min-Woo Hyung; Produzenten: Michael De Luca, Joshua Donen, Mitchell Peck, Sam Raimi; Ausführende Produzenten: Josh Bratman, Glenn S. Gainor, Steve Galloway, Stuart J. Levy; Co-Produzent: Nicolas Stern; Kamera: Don Burgess; Musik: Christopher Young; Schnitt: Lisa Zeno Churgin;

Länge: 87,32 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih von Sony Pictures; deutscher Kinostart: 12. Mai 2011



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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