20.02.2013
Der Musterschüler

Pluto (2012)


Pluto (2012) Pluto ist der kleinste und sonnenfernste unter den Planeten. Bis im Jahr 2006 eine neu erstellte Klassifizierung ihn aus dem Planetensystem ausschließt. Gegen diese Kategorisierung protestierten zahlreiche Wissenschaftler. Einer unter ihnen ist June (David Lee), dabei ist der koreanische Teenager aus einfachem Hause genaugenommen Student; einer der besten seines Jahrgangs. Bis er nach dem Wechsel auf Seouls Eliteuniversität seinen Status einbüßt. Unterprivilegierte Außenseiter wie er kriegen hier vielleicht ein Studentenbett, aber keinen Abschluss, verrät ihm seine Kameradin Sujin (Kim Khob-bi). Sie weiß auch von der Clique Spitzenschüler, die ihre Noten mit unlauteren Mitteln halten – und mit mörderischen verteidigen.

Regisseurin Shin Su-won, die letztes Jahr in Cannes für ihren Kurzfilm "Circle Line" ausgezeichnet wurde, taucht mit minimalen materiellen Mitteln und exorbitanten Ambitionen in den geschlossenen Kreis von Koreas elitärem Schulsystem. In ihrem intellektuellen Ehrgeiz spiegelt die Regisseurin ihren ambivalenten Hauptcharakter, dessen Erlebnisse von Su-wons persönlichen Erfahrungen als Lehrerin inspiriert sind. Vor dem Hintergrund des unerbittlichen gesellschaftlichen und familiären Leistungsdrucks sichert sich die vermögende Oberschicht ihren Rang auch auf Bildungsebene mittels ihres sozialen Einflusses. Als Sohn einer Versicherungsvertreterin hat June zu derartigen Hebeln keinen Zugang und ebenso wenig zu den Spezialklassen, Lehrbüchern und Spickzetteln der Besten der Besten. Ihr Anführer ist Junes Zimmernachbar Yunjin (Sung June), der im eiskalten Wettstreit um die Spitzenpositionen auf der im Schulfoyer ausgehängten Leistungstafel längst über seine eigenen moralischen Grenzen hinausgegangen ist.

Pluto (2012) Seine Reaktionen auf Junes verzweifelte Aufstiegsaspiration scheinen verkappte Warnungen, die der ausschließlich auf sein Lernziel fokussierte Protagonist zu spät entschlüsselt. Die veränderlichen Positionen der Studenten innerhalb des Universitätssystems und der Clique projizieren Gleichnisse aus der Astrologie, die June Spezialgebiet ist. Möglicherweise treffe Junes Theorie zu, sinniert Yunjin, und Pluto werde einmal die Sonne verdunkeln: "In einer Millionen Jahre vielleicht." Dass die Eklipse in Wahrheit unmittelbar bevorsteht, ahnen weder er noch sein Zimmernachbar, der nach einer erniedrigenden Initiation schließlich Eingang in den inneren Kreis erhält. "Vergiss nicht, wir sind ein Geheimnis", ermahnt ihn ein Mitglied des Bunds, der psychische Grausamkeiten ebenso genießt wie physische. Den Sadismus enthüllt der mit den verlockenden Klischees des Genres ringende Schulthriller als direkte Reaktion auf die schulischen Schikanen und Zwänge. Nur einer bekäme eine Chance, erklärt Junes Lehrerin und ein Yujin bemerkt: "Lehrer lieben es, Fallen zu stellen."

In einer solchen findet sich June, dessen Pläne sich mit dem Himmel verdunkeln. Von der keineswegs rein fiktive Eliteclique berichtet Sujin: "Sie glauben, die Welt ginge unter, wenn sie rausgeschmissen werden." Das tut sie auf blutige Weise für Yunjin. Sein Tod eröffnet "Pluto" und er bleibt nicht der letzte. Die demonstrative Parabel, die ihre Systemkritik in den schwächsten Szenen selbst wie eine moralische Lehrstunde anbringt, trägt im Titel nicht zufällig den Namen des Unterweltgottes, der die Handlung bis zum kompromisslosen Ende beherrscht.  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Berlinale

 
Filmdaten 
 
Pluto (2012)  
 
Republik Korea 2012
Regie & Drehbuch: Shin Su-won;
Darsteller: David Lee, Sung June, Cho Sung-ha, Kim Kkob-bi, Kim Kwon u.a.;
Produzent: Francis Lim; Kamera: Yun Ji-Un; Musik: Ryu Jae-Ah; Schnitt: Lee Do-hyun;

Länge: 114 Minuten; deutscher Kinostart: noch nicht bekannt
ein Film in der Sektion Generation Kplus der 63. Berlinale 2013



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der Film im Katalog der 63. Berlinale 2013
<20.02.2013>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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