14.08.2011
Planet der Affen: Prevolution
Die in der Endszene von Franklin J. Schaffners "Planet der Affen" (1968) beschworene Explosion sind Spektren von Grün in den Augen der Schimpansin – Bright Eyes. Durch ein raffiniertes Geflecht von Anspielungen und Verweisen erodiert der Regisseur von "Planet der Affen: Prevolution", Rupert Wyatt, die Grenze zwischen Mensch und Primat schon bevor Will Rodman (James Franco) auf der Suche nach einer Alzheimer-Medikation für den Konzern Gen-Sys den "Rise of the Planet of the Apes" initiiert, den "Aufstieg des Planets der Affen", so der Originaltitel von Wyatts Film. Nach der Schließung seines Forschungsprojekts nimmt Will das Junge der Versuchsäffin Bright Eyes heimlich zu sich. In den von seiner neurologisch veränderten Mutter geerbten Augen Caesars (Andy Serkis) funkelt faszinierende Intelligenz, während er die Freiheitsstatue schon in Händen hält, wenn auch nur als Puzzle. Als Caesar Wills dementen Vater (John Lithgow) gegen einen Nachbarn verteidigt, lernt der junge Primat im Affenhaus von Dodge (Tom Felton) und John Landon (Brian Cox) die grausame Seite der Menschen kennen. Während die Zeitungen noch von einer im All verlorenen bemannten Marssonde schreiben, plant Caesar das Titelszenario: "Rise of the Planet of the Apes".
Mit einer dem filmischen Original von 1968 nicht unähnlichen Mischung aus Subtilität, Frontalität und Pointen überzeugt das mit metatextueller Cleverness garnierte Reboot zugleich als intelligente Science-Fiction-Unterhaltung und sozialpolitische Parabel, deren Systemkritik nicht mehr liberal, sondern restaurativ ist. Weiterentwicklung – biologisch, medizinisch oder sozial – fungiert als Initiator für den menschlichen Untergang. Die menschliche Machtposition erscheint legitimiert durch als unanfechtbar dargestellte geistige Überlegenheit, die nicht neurologisch ist, sondern ethisch. Sein Regiment wankt nur, wenn er christlich-konservative Wertschemata verletzt. Manche Dinge sollten nicht geändert werden, sagt Wills Freundin Caroline (Freida Pinto) über dessen medizinische Forschung: "Das hier ist falsch." Krankheitsbehandlung wird demnach zum Verstoß gegen höhere Vorsehung und zur Korruption der Natur gleich der Affenrevolte. Der "Rise of the Planet of the Apes" erscheint nicht mehr bedrohlich, weil er den Menschen mit seiner moralischen Verwerflichkeit konfrontiert, sondern weil er einen pauschal als richtigen Weg dargestellten Status Quo beendet. Fortschritt wird nach der paradoxen Handlungsprämisse zum Synonym für Rückschritt, Obskurantismus zum Synonym für Humanismus. Gen-Sys-Leiter Jacobs (David Oyelowo), Will und Caesar repräsentieren Ambition, Idealismus und Aktivismus, die vereint zum Niedergang der legitimen Weltordnung führen - und müssen den Konsequenzen ihres als Hybris inszenierten Aufbegehrens ins Gesicht sehen. Die Krankheit seines Vaters werde rächend zurückkehren, prophezeit Will. Ebenso wird es Caesar. Das volle Potential digitaler Performance Capture erschöpfend, macht Andy Serkis' kongeniale Interpretation Caesar zum komplexesten der Protagonisten. "Rise of the Planet of the Apes" ist ein geschliffener Dreiakter angelehnt an ein klassisches Historienspiel wie von Shakespeare, der Caesars Wandlung akzentuiert. Der erste Akt etabliert den Konflikt zwischen Intellekt und Moral in Wills Privatleben und Beruf. Mit der hispanischen Caroline, seinem Vater und Caesar lebt Will ein integratives Ideal, das sein Innovationsgeist zerstört. Der zweite Akt, der Caesar im Saint Quentin der Affenhäuser sadistischen Wärtern und aggressiven Mitgefangenen ausliefert, vereint Ausbruchsfilm und gruppendynamische Skizze zu einer hintersinnigen Lektion politischen Revolutionierens: Organisiere einen Militärputsch, fördere durch ausgewogene Bestechung Gemeinschaftsgefühl, zeige ein kollektives Feindbild und rekrutiere deine Armee. Wyatts Darstellung der Affengemeinschaft übernimmt die Klassenallegorie des Originalfilms, in der Gorilla, Orang-Utan und Schimpansen Militär, machtlose Intellektuelle und politisches Führertum repräsentieren. Die aggressive Reaktion der gewöhnlichen Affen auf Caesars überlegene Intelligenz suggeriert einen instinktiven Hass des Unzivilisierten auf Erhabenheit, der gewaltsam unterdrückt werden müsse, während er parallel zur unfreiwilligen Metapher für Wyatts anti-intellektuellen Konformismus wird. "Human no like smart ape", vermittelt ein alter Zirkus-Orang-Utan Caesar. Wohl wahr. Mensch nicht mögen klug. Klug gefährlich. In diesem Geiste installiert "Rise of the Planet of the Apes" im visuell makellosen Gewand einer hintergründigen Science-Fiction-Vision als Hauptfeind von Mensch und Menschlichkeit den Intellekt. Sein Erwachen geht einher mit Widerstand und Ungehorsam, die sich in dem mit Charlton Hestons "verfluchter dreckiger Affe" kontrastierenden ersten Wort Caesars artikuliert: "Nein." – Verheißungsvolle Affirmation einer neuen Trilogie. Lida Bach /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: 20th Century Fox Filmdaten Planet der Affen: Prevolution (Rise of the Planet of the Apes) USA 2011 Regie: Rupert Wyatt; Darsteller: James Franco (Will Rodman), Freida Pinto (Caroline), John Lithgow (Charles Rodman), Brian Cox (John Landon), Tom Felton (Dodge), Andy Serkis (Caesar), David Oyelowo (Steven Jacobs) u.a.; Drehbuch: Rick Jaffa, Amanda Silver; Produktion: Peter Chernin, Dylan Clark, Rick Jaffa, Amanda Silver; Co-Produktion: Kurt Williams; Ausführende Produktion: Thomas M. Hammel; Kamera: Andrew Lesnie; Musik: Patrick Doyle; Schnitt: Conrad Buff; Länge: 104,40 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Twentieth Century Fox; deutscher Kinostart: 11. August 2011
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