22.04.2013
Mutter und Sohn
![]() Ja, die "Zustände"... zum Glück betrachtet Netzer sie mit einem kühlen Blick und verzichtet auf die soziale Glaubwürdigkeit einer pseudo-realistischen Gesellschaftsdiagnose. Das rumänische Kino widersetzt sich dankenswerterweise schon seit längerer Zeit der allgemeinen Zuschauerwartung, die vollgepumpt mit Doku-Bildern aus dem deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen, beim Schlagwort "Rumänien" sehnsüchtig auf miserabilistische Bilder von krebskranken Kindern in Bukarest warten. Im Dokumentarischen hat beispielsweise Christi Puiu mit "The death of Mr. Lazarescu" (2005) gezeigt, zu welch sarkastischem Realismus das rumänische Kino fähig ist.
Die "Zustände" sind für Netzer damit das unliebsame Resultat von "Unfällen" politisch wie privat. Ganz klassisch funktioniert hier diese Analogie der Systeme und ihrer Risse, die Familie als der Staat im Kleinen, in dem man immer erstmal herumredet und vertuscht, anstatt alles klar und transparent zu machen. Aus der visuellen Kühle der Bilder und der fast schematischen Härte der Inszenierung entströmt in "Mutter und Sohn" auch der böse Zynismus des Systems, die sklavische Einsicht in die Macht der Konstellation, die den Einzelnen dann doch nicht so ganz aus seiner Verantwortung entlässt. Nein, Mutti kann nicht alles regeln, was Barbu dann doch dazu zwingt sich seiner Tat und der Verantwortung zu stellen.
Nicolas Oxen /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: X-Verleih Filmdaten Mutter und Sohn (Pozitia copilului) Rumänien 2013 Regie: Calin Peter Netzer; Darsteller: Luminita Gheorghiu (Cornelia Kerenes - die Mutter), Bogdan Dumitrache (Barbu - der Sohn), Natasa Raab (Olga), Florin Zamfirescu (Domnul Fagarasanu), Ilinca Goia (Carmen), Vlad Ivanov (Dinu Laurentiu) u.a.; Drehbuch: Razvan Radulescu, Calin Peter Netzer; Produktion: Parada Film, Hai Hui Entertainment; Produzenten: Calin Peter Netzer, Ada Solomon; Kamera: Andrei Butica; Schnitt: Dana Bunescu; Länge: 112,13 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der X Verleih AG; deutscher Kinostart: 23. Mai 2013 Goldener Bär der 63. Berlinale 2013
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