24.09.2014
Was am Ende zählt

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit


Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit Viel tiefer als man vorerst vermutet prägt sich dieser Film ein und hinterlässt Spuren. "Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit" – im Original passender mit "Still Life" betitelt – vermag es, mit minimalistischen Mitteln ein Album bewegter Bilder und Szenen zu erstellen, gespickt mit leiser Symbolik, die sich erst im Nachhinein entfaltet. Er vermag wachzurütteln und den Zuschauer stark an die Kostbarkeit des Lebens zu erinnern.

Es ist die zweite Regie-(und hier auch Drehbuch)arbeit von Uberto Pasolini (nach "Bel Ami" von 2012), der vorher als Produzent (z.B. "Ganz oder gar nicht" 1997) tätig war. Für diesen u.a. in Venedig mit dem Regiepreis der Sektion Orizzonti und in Edinburgh mit dem Preis für den Besten Hauptdarsteller ausgezeichneten Film schrieb die Frau des Regisseurs, Rachel Portman ("Emma" 1996 – Oscar für die Filmmusik, "Gottes Werk & Teufels Beitrag" 1999) eine äußerst einfühlsame und zarte Filmmusik – im Vordergrund eine melancholische und zugleich lebensbejahende Akustikgitarre.

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit Von dieser feinfühligen, lebhaft-nachdenklich-traurigen Musik getragen, spielen sich nacheinander kurze Szenen in unterschiedlichen Umgebungen ab – Mr. May auf dem Friedhof, auf der Straße, im Büro, im Zug, im kurzen Zusammenspiel mit kleinen Kunstplastiken unterwegs und mit anderen Menschen. Der Dialog ist minimal, die Mimik und Gestik sparsam, die Bilder wirken wie aus dem Alltag. Dennoch charakterisieren die Momentaufnahmen den einsam, karg, genuss- und freundlos lebenden Mr. May, der seit 22 Jahren nur für seinen Beruf lebt. Er sucht – im Auftrag der Stadt – detektivisch nach Hinterbliebenen von alleine Verstorbenen, in der Hoffnung, dass der Tod und das Beerdigungsritual alte Konflikte befrieden. Durch die Aufnahmen hindurch erkennt man Mr. Mays Hingabe, seinen Respekt und letztendlich eine den Verstorbenen am Ende verwehrt gebliebene Freundschaft.

Die Londoner Stadtverwaltung will sich Mr. Mays angeblich extravaganten Ausgaben nicht mehr leisten – Erdbestattungen mit Pfarrer und Rede, mit Musik, die zum Leben der Verstorbenen passt, Särge, die farblich auf deren Persönlichkeit abgestimmt sind. So wird Herr "Mai" oder aber Herr "Könnte" kurzerhand entlassen – mit der Erlaubnis, sich um seinen letzten Fall zu kümmern. Dieser bringt überraschende Veränderungen mit sich. Der ganze Film ist ein stilles Hinarbeiten auf ein herzbewegendes Ende.

Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit Obwohl die farblich sparsamen Bilder der zurückhaltenden Kamera inhaltlich konsequent sind, hätte eine intensivere Bildästhetik dem Film nicht geschadet. Dem Spiel des mit seiner Rolle verschmolzenen Hauptdarstellers Eddie Marsan tut das keinen Abbruch. Der uns aus "Happy Go Lucky" bekannte – dort einen passiv-aggressiven rassistischen und kontrollsüchtigen Fahrlehrer darstellenden – Marsan kann seine unglaubliche Bandbreite durch den absolut gegensätzlichen Mr. May gar nicht besser unter Beweis stellen. Man kann es gar nicht fassen, wie sehr ein kleines Lächeln eines sonst ernsten Menschen die Kinoleinwand erhellen kann.  

Hilde Ottschofski / Wertung: * * * * (4 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Piffl Medien

 
Filmdaten 
 
Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit (Still Life) 
 
GB / Italien 2013
Regie & Drehbuch: Uberto Pasolini;
Darsteller: Eddie Marsan (John May), Joanne Froggatt (Kelly), Karen Drury (Mary), Neil D'Souza (Shakthi), Andrew Buchan, Michael Elkin, David Shaw Parker, Ciaran Mcintyre, Tim Potter, Paul Anderson u.a.;
Produzenten: Uberto Pasolini, Felix Vossen, Christopher Simon; Kamera: Stefano Falivene; Musik: Rachel Portman; Schnitt: Tracy Granger, Gavin Buckley;

Länge: 91,49 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Piffl Medien GmbH; deutscher Kinostart: 4. September 2014



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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