20.03.2018

Der frechste Antikriegsfilm überhaupt

M.A.S.H.

"M.A.S.H." steht für "Mobile Army Surgical Hospital". Das "M.A.S.H." im gleichnamigen Film, mit dem Robert Altman seinen Durchbruch als Regisseur schaffte, steht an der Front im Korea-Krieg Anfang der 1950er Jahre. Der Film entstand 1970, zu Zeiten des Vietnam-Krieges, zu Zeiten, als die Gesellschaft sich gegen diesen Krieg wandte. Und auch Altman. Nicht sehr camoufliert steht Korea für Vietnam, nicht sehr camoufliert ist die Kritik am Krieg, letztere mehr als nur unterschwellig. "M.A.S.H." ist bis heute der frechste Antikriegsfilm überhaupt. Wenn der Geistliche des Hospitals einen Jeep für den Einsatz im Krieg segnet, gleichzeitig eine andere Filmfigur betet und als bigott dargestellt wird – er betrügt seine Frau –, erkennt man schnell die Tendenz, die Altmans Film einschlägt. Die Hauptcharaktere des Films, Chirurgen, die verwundete Soldaten zusammenflicken, erlauben sich Späße weit unter der Gürtellinie. Sonst wäre der Horror nicht zu ertragen.

"Altman's first major success gave new meaning to the word 'irreverence'" – "Altmans erster großer Erfolg gab dem Begriff 'Respektlosigkeit' eine neue Bedeutung", schrieb Leonard Maltin in seinem "Movie Guide". Denn was "Hawkeye" Pearce (Donald Sutherland), "Trapper" John McIntyre (Elliott Gould) und Duke Forrest (Tom Skerritt) machen, nachdem sie zum Kriegsdienst eingezogen im "M.A.S.H." chirurgisch tätig sind, lässt den Zuschauer entweder am Spaß teilhaben, oder aber fluchen, je nach Sichtweise, je nach persönlicher Einstellung. Hawkeye kommt in Korea an und klaut einen Jeep, um schneller zum Feldlazarett zu gelangen. Vor Ort erkennen er, Duke und Trapper John, dass ihr Chirurgen-Kollege Major Frank Burns (Robert Duvall) ein Stümper ist, der den Tod eines Soldaten auf seinem OP-Tisch auf jemand anderen, einen Private (Bud Cort, später mit "Harold and Maude" bekannt geworden) schiebt. Burns ist der bigotte Betende, der schnell Sex mit Major Margaret O'Houlihan (Sally Kellerman) haben wird, obwohl verheiratet. Dieser Sex bleibt den anderen nicht verborgen, ein Mikrofon macht die beiden zu Hörspiel-Protagonisten, ihr Stöhnen hört das ganze Camp. O'Houlihan sprach von ihren heißen Lippen. Fortan trägt sie den Spitznamen "Hot Lips". Ob sie eine Naturblondine sei, fragen sich die Chirurgen um Hawkeye. Also wird "Hot Lips" unter der Dusche bloßgestellt, indem die Duschwände mit einem Schlag entfernt werden. Später im Film sind Hawkeye und Trapper in Japan. Ein dortiger Colonel legt sich mit ihnen an. Das hätte er besser nicht getan...

Sind die progressiven Chirurgen menschenverachtend? Nur zu ihnen übel aufstoßenden Mitmenschen. Sie helfen auch. Nicht nur den Operierten. Eine Szene zeigt, wie Hawkeye einen jungen Koreaner zur Musterung begleitet. Der hat Herzrasen. Der behandelnde Arzt hingegen hat seine Zweifel. Explizit wird es nicht gesagt, aber Pearces Reaktion auf die Äußerung des Arztes, einen Verdacht zu hegen, zeigt: Er versuchte zu manipulieren, den Heranwachsenden mit Medikamenten vorm Kriegsdienst zu bewahren.

Robert Altmans Film, der 1970 wohl wegen seiner progressiven Innovationen bei den Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, zelebriert das Chaos. Die einzelnen Episoden, als bestes Beispiel dient ein Football-Match gegen Ende des Films, sind genauso davon betroffen wie die Kameraeinstellungen: im Vordergrund häufig verwaschene Details, im Hintergrund Protagonisten, die oft aneinander vorbeireden; nur der junge "Radar" O'Reilly (Gary Burghoff) behält die Übersicht und scheint die Fähigkeit zu besitzen, vor seinem Chef, dem Leiter des Lazaretts Lieutenant Colonel Henry Blake (Roger Bowen), dessen Befehle zu kennen. Er spricht sie gleichzeitig aus. Damit demontieren Altman und sein Drehbuchautor Ring Lardner Jr. die Army und ihre Rechthaberei, ihre Macht, die Gesellschaft in einen Krieg zu zerren. Ein weiterer Running Gag, der für weiteres Chaos sorgt, sind wirre Lautsprecherdurchsagen. Dies umschreibt die Irrungen und Wirrungen eines Krieges und die Sprachlosigkeit seinetwegen.

Da der Film aufgrund seiner Kritik am Krieg populär war, zog er eine ebenso erfolgreiche, gleichnamige TV-Serie nach sich, die unter anderen mit Alan Alda und Loretta Swit elf Jahre lief (1972 – 1983); von den Film-Darstellern war einzig Gary Burghoff auch in der Serie dabei. Die Frage, was aus den operierten Soldaten wird, macht die Serie besser, sie kümmert sich auch um diese in zahlreichen Geschichten. Das ist aber das Einzige, das dem Film fehlt. Konservativ Eingestellte werden verstört wie empört sein angesichts der Frechheiten in Altmans Film, aber die Kritik an Krieg und Rechthaberei ist nur zu berechtigt. Hatte Schriftsteller Richard Hooker seinen Roman ernst angelegt, macht Altman in der Verfilmung Satire pur draus. Chaos und Unangepasstsein der Filmhelden – beides prägt den Film, der stilistisch neue Wege ging.

Ein Kuriosum zum Schluss: Henry-Blake-Darsteller Roger Bowen starb am 16. Februar 1996 an Herzversagen; nur einen Tag nach dem Schauspieler McLean Stevenson, dem Darsteller des Blake in der Serie.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * (4 von 5)



Filmdaten

M.A.S.H.
(MASH)

Alternative Schreibweisen: M*A*S*H, MASH
USA 1970
Regie: Robert Altman;
Darsteller: Donald Sutherland (Hawkeye Pierce), Elliott Gould (Trapper John McIntyre), Tom Skerritt (Duke Forrest), Sally Kellerman (Maj. Margaret 'Hot Lips' O'Houlihan), Robert Duvall (Maj. Frank Burns), Roger Bowen (Lt. Col. Henry Blake), Rene Auberjonois (Father John Mulcahy), David Arkin (Sgt. Major Vollmer), Jo Ann Pflug (Lt. 'Dish'), Gary Burghoff (Cpl. 'Radar' O'Reilly), Fred Williamson (Dr. Oliver 'Spearchucker' Jones), Michael Murphy ('Me Lai' Marston), John Schuck (Capt. 'Painless' Waldowski), Bud Cort (Pvt. Boone) u.a.;
Drehbuch: Ring Lardner Jr. nach dem Roman von Richard Hooker; Produzent: Ingo Preminger; Kamera: Harold E. Stine; Musik: Johnny Mandel; Schnitt: Danford B. Greene;

Länge: 116 Minuten; FSK: ab 18 Jahren; westdeutscher Kinostart: 27. Mai 1970

Auszeichnungen:
Goldene Palme Filmfestspiele Cannes 1970
Academy Awards 1971: Bestes Drehbuch (Ring Lardner Jr.), vier weitere Nominierungen
u.a.



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