17.12.2012

Ludwig II. (2012)


Ludwig II. (2012): Sebastian Schipper Requiem für einen jungfräulichen König

"Wirkung ist wichtig", verkündet in "Ludwig II." kein geringerer als Richard Wagner: "Wille zur Wirkung." Ihn zumindest ermittelt die üppige Kinohistorie um den bayerischen Regenten, an dessen Exaltiertheit und Unmäßigkeit sich Peter Sehrs und Marie Noëlles jüngste Regiearbeit orientiert. Genau wie Ludwig träume Sehr davon das Unmögliche möglich zu machen, eröffnet Produzent Ronald Mühlfellner: "Man konnte sich wahrlich keinen idealeren Regisseur für diesen Film wünschen." Die konfuse Herrscherbiografie hinterlässt daran starke Zweifel und das unbehagliche Gefühl des Fremdschämens. Kongenial ist "Ludwig II." höchstens insofern, als dass er die hehren Ambitionen des Titelcharakters teilt – und dessen künstlerische Selbstüberschätzung.

Wagner, Wucht und Weltschmerz

Die Selbstüberschätzung findet ihre bizarre Erfüllung in dem skurrilen Maskenball, den der gealterte und verfettete Monarch (Sebastian Schipper) 20 Jahre nach seiner Thronbesteigung als 18-Jähriger im Jahr 1864 um sich inszeniert. Zum Märchenkönig verklärt widmet er sich fernab des Staatswesens seiner Kunstvorstellung auf Traumschlössern, manche architektonisch wie Neuschwanstein, andere phantasmagorisch wie Ludwigs Verfolgungs- und Größenwahn. Inwiefern letzter Empfindsamkeit, Realitätsverlust oder inhärenter Gemütskrankheit entsprang, darüber scheiden sich die Geister der Historiker. Anders die des Drehbuchautoren-Duos. Sehr und Noëlle zeigen den jungen Ludwig (Sabin Tambrea) als Idealisten, der Militärregimenter zu Militärkapellen umrüstet, und Schwärmer, der ruft: "Ich sage euch, es kommt der Tag, da die Menschen begreifen werden, dass die Kunst wichtiger ist als das tägliche Brot." Die unbewusste Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit derartiger Aussprüche versteckt die Inszenierung hinter pompösen Kulissen.

Ludwig II. (2012): Sabin Tambrea, Edgar Selge Das Pathos der Szenerie übertrumpft die von Ludwigs hochgeschätzten Wagner-Aufführungen, denen er im eigens zu Ehren des Komponisten (Edgar Selge) erbauten Festspielhaus beiwohnt. Der durch Ludwig aus Armut und Verfolgung Erlöste gerät zum keifenden Giftzwerg, der den König finanziell und freundschaftlich ausnutzt. Doch der seine Wagner-Verehrung im Basteln von Lohengrin-Szenen aus Notenpapier äußernde Herrscher leiht statt den ministeriellen Beschwerden sein Ohr nur der Musik: "Sie tröstet mich über die Schändlichkeit dieser Welt hinweg." Den Kinozuschauer nicht. Die wuchtigen Opernklänge, die mal dem Off, mal unmittelbar der Szene entspringen, lassen den in Homophobie und Melodramatik verkrampften Kostümfilm noch anmaßender wirken. "Ludwig II." ist ein Fall von cineastischer Obstipation an Gepräge, Schwulst und Chargieren, sowohl inszenatorisch und schauspielerisch, vor allem aber dramaturgisch. "Wie soll dein Volk je erfahren wer du bist?", fragt Sisi, dargestellt von Hannah Herzsprung, die lieber Romy Schneider als Elisabeth von Österreich spielt.

Ludwig II. (2012): Hannah Herzsprung, Paula Beer Schicksalsjahre eines Kaisers

Natürlich durch den Leinwand-Ludwig. Nur um am Ende nicht zu heftig in Beifallsstürme auszubrechen, bittet der: "So Jubelgeschrei macht mir Kopfschmerzen." Die macht er wiederum den Staatsräten, deren Besorgnis über wachsende Schuldenberge und verschwenderische Privatvergnügen als intrigante Machtpolitik abgehandelt wird. Alles Spielverderber, schmollt Ludwig: "Diese Welt begreift uns nicht. Sie versteht alles falsch." Leider wahr, beweist die widerwillige Thematisierung hochherrschaftlicher Homosexualität. Deren zaghaftes Aufkeimen unterbindet Ludwig mit brutalen Vorwürfen gegen sich und seinen Begleiter. Mit ihm vereint er sich nur im Gebet: um göttliche Vergebung für das verbotene Begehren. Eine Ahnung davon beschleicht sogar Wagner, der den zur Abdankung bereiten König erinnert: "Ich bin nicht Lola Montez." Tatsächlich scheint Ludwigs Überhöhung der Kunst nicht ideell motiviert, sondern vorrangig Ausdruck seiner Selbstüberhöhung. "Lässt sich diese Absurdität noch steigern?", rätselt schließlich selbst Ludwigs Ergebener Johann Lutz (Justus von Dohnanyi).

Ja, lässt sie, denn die Filmförderung unterstützte die Kinokolportage über den Kaiser des Kitsch und sein Kuriositätenkabinett augenscheinlich königlich. Kein Wunder, dass Prinz Otto (Tom Schilling) das Ganze in den Wahnsinn treibt und Königinmutter Marie (Katharina Thalbach) sich klammheimlich aus dem Film verdünnisiert. Das Schlussurteil spricht selbstredend Ludwig: "Nichts ist mehr zu retten."  

Lida Bach / Wertung:  0 von 5 Punkten 
 

Quelle der Fotos: Bavaria Pictures, Dor Film, Warner Bros. Entertainment GmbH, Rolize, B.A. Production, ARRI Film & TV Services / Stefan Falke

 
Filmdaten 
 
Ludwig II. (2012)  
 
Deutschland / Österreich 2012
Regie & Drehbuch: Peter Sehr, Marie Noëlle;
Darsteller: Sabin Tambrea (Ludwig II., jung), Sebastian Schipper (Ludwig II., älter), Hannah Herzsprung (Kaiserin Elisabeth), Edgar Selge (Richard Wagner), Katharina Thalbach (Königin Marie), Friedrich Mücke (Richard Hornig), Justus von Dohnányi (Johann Lutz), Samuel Finzi (Lakai Mayr), Tom Schilling (Prinz Otto), Paula Beer (Sophie), Uwe Ochsenknecht (Prinz Luitpold), Gedeon Burkhard (Graf von Holnstein), Peter Simonischek (Ludwig von der Pfordten), Axel Milberg (König Maximilian II.), Franz Dinda (Heinrich Vogel), Michael Fitz (Herzog Maximilian von Bayern), Christophe Malavoy (Kaiser Napoleon III.), August Schmölzer (Bernhard von Gudden), André Eisermann (Karl Hesselschwerdt), Gerti Drassl (Hofdame Mathilde) u.a.;
Produzent: Ronald Mühlfellner; Kamera: Christian Berger; Musik: Bruno Coulais; Schnitt: Hans Funck;

Länge: 142,40 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih von Warner Bros. Pictures Germany; deutscher Kinostart: 26. Dezember 2012



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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