11.09.2013
Die ewigen Jagdgründe des Blockbuster-Kinos

Lone Ranger


Lone Ranger: Johnny Depp, Armie Hammer "Mit seinem treuen Indianergefährten Tonto führte der kühne und einfallsreiche maskierte Reiter der Plains im frühen Westen den Kampf für Recht und Ordnung an! Kehrt nun mit uns zurück zu jenen aufregenden Tagen vergangener Jahre. Der Lone Ranger reitet wieder!" Das tut der Titelheld (Armie Hammer) der Revolverhelden-Serie, die 1949 bis 1957 im US-Fernsehen lief. Final Frontier ist nun Gore Verbinskis kommerzielle Kreativität, die das zweieinhalbstündige Western-Abenteuer als massenkompatibles Minstrel-Movie aufzieht.

Statt Weißer in Blackface gibt es einen Weißen in "Redface": Johnny Depp, der sich der später wiederholten Serie erinnert. "Ich mochte Tonto schon in einem so zarten Alter und wusste, dass Tonto immer der Dumme war. Das blieb bei mir hängen." Bis heute, im nicht mehr so zarten Alter von 50. Wenn es zwei Seelenverwandte gibt, dann nicht Tonto und der verhinderte Staatsanwalt John Reid alias Lone Ranger oder der Lone Ranger und sein "Spirithorse" Silver, sondern Depp und Tonto. Beide verfolgt ein Kindheitstrauma; Depp die Degradierung seines Serien-Helden, besagten Serien-Helden wiederum in Verbinskis Verfilmung das Auslöschen seines Stammes. Ihn hat er als Junge an den Eisenbahn-Tycoon Latham Cole (Tom Wilkinson) und den dämonischen Butch Cavendish (William Fichtner) verraten, im Tausch gegen eine Taschenuhr. Auf deren Ziffernblatt schaut Tonto immer, wenn er die tote Krähe, die er statt Federschmuck auf dem Kopf trägt, gemäß seiner Marotte schon gefüttert hat und noch nicht der Moment ist für die nächsten Einzeiler.

Lone Ranger Sie dominieren die Dialoge, die so einstudiert heruntergeleiert werden, als wäre der Wilde Westen eine Wild-West-Show. Nichts anderes ist er im Grunde, vor dem Blue-Screen-Hintergrund des Kinofilms genauso wie dem gemalten Hintergrund der Schaubude, in der die Rahmenhandlung spielt. Diese Einfassung könnte die Binnenhandlung als Teil eines großen (Film-)Rummels und wohlfeiler (Blockbuster-)Unterhaltung demaskieren. Aber das wäre kontraproduktiv für die Absichten des "Lone Ranger", impft Tonto dem Titelheld ein: "Never take off the mask!" Eine solche trägt auch der kleine Junge, dem der greise Tonto in einem Western-Diorama die Geschichte des legendären Lone Ranger erzählt. Zwischen ausgestopften Büffeln und Bären scheint Tonto mit seinem präparierten Vogelkopfputz an seinem Bestimmungsort angelangt. Sein professionelles Posieren als "Der edle Wilde in seinem natürlichen Habitat" karikiert nicht das Klischee, das Weiße vom Native American konstruieren, sondern kanonisiert es. Das Stereotyp verkörpert buchstäblich das echte Leben, aus dem es bereitwillig erzählt: eine kindertaugliche Story von Schießereien, Eisenbahnüberfällen, Gesetzlosen und Indianern.

Lone Ranger Letzte sind kurzlebige Requisiten wie Schwarze, Mexikaner und "Chinamen" oder optische Einsprengsel wie Huren, deren Bordell-Dame (Helena Bonham Carter) eine Gewehr-Beinprothese trägt. "Es ging gar nicht darum, dass der Lone Ranger besonders respektlos mit Tonto umging", meint Depp. Hey, Missachtung gegenüber ethnischen Minderheiten ist doch witzig und irgendwo fast nett, weil man den Marginalisierten damit überhaupt Beachtung schenkt. Darum wohl tanzt Depp seine Indianer-Farce in der Kino-Kriegsbemalung seines Tonto: "Warum war er nicht der Held der Geschichte? Diese Frage habe ich mir schon immer gestellt." Genauso offenbar Jerry Bruckheimer, dessen Produktion erstmals den Tonto-Darsteller ganz oben auf dem Plakat nennt: Johnny Depp. "Krankheit von Gier ist stark", sinniert sein Filmcharakter, dessen Aussehen laut Depp ein Fantasy-Bild Kirby Sattlers inspirierte. Seine stilistisch an Kaufhausdrucke von Einhörnern im Mondschein erinnernden Motive bedienen die Schamanismus-Stereotypen, die Bruckheimers Buddy-Blockbuster ikonisiert.

Überholt scheint dem Drehbuchautoren-Trio Ted Elliott, Terry Rossio und Justin Haythe nicht die Darstellung des Native als unzivilisiert, gebrochenes Englisch sprechend und närrisch – auf letztes verweist Tontos spanischer Name – sondern Johns Ablehnung von Selbstjustiz. Lockes Philosophie kennt außer John nur Erzschurke Cole. Die den positiven Charakteren mehrfach entgegengebrachte Beurteilung – rein zufällig Synonym für angloamerikanische Arroganz und den in der Okkupation autochthoner Figuren durch weiße Schauspieler fortgeführten Kolonialismus – wird so zum verkappten Kompliment: "Stupid white men."  

Lida Bach / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Disney Enterprises, Inc. and Jerry Bruckheimer Inc. / Peter Mountain

 
Filmdaten 
 
Lone Ranger (The Lone Ranger) 
 
USA 2013
Regie: Gore Verbinski;
Darsteller: Johnny Depp (Tonto), Armie Hammer (John Reid, der Lone Ranger), Tom Wilkinson (Latham Cole), William Fichtner (Butch Cavendish), Barry Pepper (Fuller), James Badge Dale (Dan Reid), Ruth Wilson (Rebecca Reid), Helena Bonham Carter (Red Harrington), Mason Cook (Will), Bryant Prince (Danny), JD Cullum (Wendell), Matt O'Leary (Skinny) u.a.;
Drehbuch: Justin Haythe, Ted Elliott, Terry Rossio; Produktion: Jerry Bruckheimer, Gore Verbinski; Kamera: Bojan Bazelli; Musik: Hans Zimmer; Schnitt: James Haygood, Craig Wood;

Länge: 149,21 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH; deutscher Kinostart: 8. August 2013



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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