22.12.2011
Nur die Tragik zählt

Jane Eyre (2011)


Jane Eyre (2011): Michael Fassbender, Mia Wasikowska Düster und bedrückend sehen die Filmautoren das Leben von Jane Eyre. Die guten Erfahrungen, liebevollen Freundschaften ihres Lebens – allesamt ausgeblendet, nur die Tragik findet in dieser Verfilmung Platz. Dennoch ist das überzeugende Liebespaar Jane und Edward sowie die elegant-sinnlichen Bilder der nebelig-morastigen Landschaft Yorkshires den Weg ins Kino wert.
Dunkel und hoffnungslos ist in diesem Film das Schicksal von Jane Eyre. Die Filmbilder sind entweder in der Dämmerung mit Caspar-David-Friedrichscher Atmosphäre oder nachts bei Kerzen- oder Kaminlicht aufgenommen. Mit wenigen Ausnahmen (kurze frühlingshafte Sequenzen, wenn es um Erfüllung und Liebe geht) ist es ansonsten dämmerig und beklemmend.

Und ruhig ist es auch, spärlich in Mimik, Gestik und Unterhaltung. Alles soll im Inneren der Darsteller stattfinden. Aber wie sehr findet etwas im Inneren einer Jane Eyre-Darstellerin statt, die anscheinend den Regieauftrag hat, sich zurückzunehmen? Großes Glück ruft ein leichtes Lächeln, großes Unglück eine Tränenspur hervor. Wie kann man innere Leidenschaft darstellen, ohne sie darzustellen? Und so mutet der Film an wie ein ewiges Warten und Schweigen, mit dem geringen Pflänzchen Hoffnung auf Erlösung. Aber selbst als die Erlösung kommt, hält die Beklemmung an, als ob weiterhin auch nichts Besseres kommen könnte.

Jane Eyre (2011): Mia Wasikowska Charlotte Brontë schrieb im viktorianischen England Mitte des 19. Jahrhunderts ein damals fortschrittliches Buch über eine Frau, die sich gegen die Begrenzung ihrer Zeit auflehnt. Sie fügt sich zwar äußeren Zwängen, aber ihre Rebellion, ihre Wut und ihr inneres Feuer führen einen steten Kampf um Befreiung. Diese Leidenschaft findet nur stark unterdrückt und nur im Ergebnis in Cary Fukunagas Film Eingang: den Höhepunkt der Handlung, die Liebeserklärung während der stürmischen Nacht – dürfen wir nicht erleben. Der Blitz kracht nicht in die Eiche, wir sehen den entzweiten Baum erst am nächsten Tag. Die Leidenschaft darf nicht – wie im Buch – durch Eifersucht noch mehr angefacht werden. Das Positive der Liebe Edwards – das Werben und Flirten – ist seltsam unterdrückt, das Glück der erwiderten Liebe durch Jane immer stark gedämpft. Warum viktorianischer sein als die Viktorianer? Selbst der werbende strenggläubige St John taucht in Fukunagas Film viel ehrgeizig-missionarischer auf als der brüderlich hingebungsvolle Beschützer im Buch. Die vertrauensvollen Freundschaften Janes werden ausgelassen (nur die – zugegeben tief berührend dargestellte – Tragödie mit der sterbenskranken Helen Burns wird gezeigt). Und dies ist keine Frage der technisch nicht möglichen Umsetzbarkeit von Literatur, sondern einer (literarischen) Umdeutung.

Jane Eyre (2011): Michael Fassbender, Mia Wasikowska Dennoch sind die junge (wie sie als Jane Eyre auch sein sollte) Mia Wasikowska und Michael Fassbender als der ältere finstere und herrschaftliche Edward Rochester mit tiefer erotischer Stimme ein erstaunlich gut gewähltes und tief überzeugendes Paar. In den wenigen Augenblicken, da sie Gefühle zeigen (dürfen), glänzen sie unübersehbar, der Zuschauer ist mitgenommen. Auch die traurige Freundschaft zur zerbrechlichen tiefgläubigen Helen Burns ist von den Mädchen mit großer Direktheit und ohne Schnörkel herübertransportiert. Man freut sich über Judi Dench als Mrs. Fairfax, wenngleich die Zurückgenommenheit auch bei ihr eine Entfaltung verhindert.

Elegant sind die Bilder, die Aufnahmen der kahlen Hügel, der nebelumwobenen Wälder, des morastigen Yorkshire Moors, der kahlen steinigen Bauten. Man spürt fast die Zugigkeit und Kälte der Räume und die kontrastierende Hitze des Kaminfeuers. Sinnlich sind diese Bilder und sie bleiben deswegen im Gedächtnis haften. Die Erzähltechnik der Rückblende ist eine sinnvolle Entscheidung, die Umsetzung dieser (auto)biografischen Geschichte wirkt spannend. So beginnt der Film an der gut gewählten Stelle, wo Jane bereits von Rochester verzweifelt flieht.  

Hilde Ottschofski / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Tobis

 
Filmdaten 
 
Jane Eyre (2011)  
 
GB 2011
Regie: Cary Fukunaga;
Darsteller: Mia Wasikowska (Jane Eyre), Michael Fassbender (Edward Rochester), Judi Dench (Mrs. Fairfax), Freya Parks (Helen Burns), Sally Hawkins (Mrs. Reed), Jamie Bell (St John Rivers), Imogen Poots (Blanche Ingram), Amelia Clarkson (junge Jane), Simon McBurney, Holliday Grainger u.a.;
Drehbuch: Moira Buffini nach dem gleichnamigen Roman von Charlotte Brontë; Produktion: Alison Owen, Paul Trijbits; Kamera: Adriano Goldman; Musik: Dario Marianelli; Schnitt: Melanie Ann Oliver;

Länge: 120,30 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Tobis Film GmbH & Co. KG; deutscher Kinostart: 1. Dezember 2011



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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