15.02.2012
"Everything you say can and will be used against you"

Interview (2007)


Theo van Gogh, ein Urenkel des berühmten Künstlers, nahm in Leben und Werk selten ein Blatt vor den Mund: Provokante Aussagen über Ausländer, Juden, Moslems und Christen – in Schrift, Wort und (Film-)Bild – machten ihn zum enfant terrible des niederländischen Kinos und führten im November 2004 zu seiner Ermordung durch einen religiösen Fundamentalisten. Drei Jahre nach dem Tod des Regisseurs hat Steve Buscemi – als Darsteller und Regisseur – einen der letzten Filme Van Goghs neu verfilmt: "Das Interview" aus dem Jahr 2004, ein Kammerspiel, das mit einem Handlungsort und zwei Protagonisten auskommt. Dabei verpflichtet sich Buscemi der Filmsprache und den Themen Van Goghs, indem er nicht nur Inhalt und Stil des Originals adaptiert, sondern auch einen Großteil der Filmcrew des niederländischen Regisseurs für die Neuverfilmung gewinnen konnte.

Der intellektuelle Politikjournalist Pierre Peders (Buscemi) hat sich mit seinem Verleger zerstritten und soll nun, trotz einer bevorstehenden Krise in Washington, die prominente Soap- und Horrorfilm-Darstellerin Katya (Sienna Miller) interviewen. Dass er darüber kaum erfreut ist, versteht sich von selbst und als Katya schließlich über eine Stunde zu spät zur Verabredung erscheint, stellt Pierre recht unmotiviert belanglose Fragen, die seine unzureichende Vorbereitung kaum verhehlen. Bald streiten die beiden und das kurze Gespräch endet mit den harschen Worten "Fuck yourself!" Nun will es aber der Zufall – Katya verschuldet indirekt eine Platzwunde an Pierres Kopf –, dass die beiden Kontrahenten im Apartment der Darstellerin landen und das Interview dort recht unkonventionell fortsetzen. Zwischen Pierre und Katya entwickelt sich eine eigentümliche Beziehung, die zwischen Abstoßung und Zuneigung mäandert. Sie werden persönlicher, nähern sich an und entfernen sich wieder voneinander, verletzen und trösten sich, tanzen sprichwörtlich umeinander und schließlich auch tatsächlich miteinander. Der Interviewer und die Interviewte tauschen zeitweise die Rollen, fühlen sich sexuell voneinander angezogen, verwerfen diese Anziehung wieder und spielen doch nur ein Spiel. Eins, bei dem beide verzweifelt versuchen, die Oberhand zu gewinnen und es immer schwieriger wird, den Dominierenden zu bestimmen: "I don't fuck celebrities", schmettert Pierre – "Well, I don't fuck nobodies", kontert Katya.

"Interview" ist ein klassisches Zwei-Personen-Stück und wahrt die Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Dieses Kammerspiel inszeniert Buscemi ohne Schnörkel, sondern jederzeit auf die Figuren konzentriert. Die Entwicklung und Interaktion derselben transportiert Buscemi (nach dem Vorbild Van Goghs) in erster Linie über den Dialog, was zwar nicht gerade filmisch erscheint, im Rahmen der Geschichte – die ja ein Interview zum Anlass hat – jedoch durchaus Sinn ergibt. Die narrative Vormachtstellung des Dialogs funktioniert auch deshalb so gut, weil Steve Buscemi und Sienna Miller stets präzise spielen und die Inszenierung sich nicht im Geringsten zwischen die Figuren und die Zuschauer drängt. Da Buscemi den minimalistischen, auf die Schauspieler fokussierten Stil Van Goghs durchweg gelungen adaptiert, wirkt "Interview" sehr rund und kommt trotz der unaufgeregten und relativ offenen Dramaturgie ohne schwerwiegende Längen aus. Letztlich erzählt der Film nicht nur von der Abstoßung und Anziehung der beiden Protagonisten, sondern ganz universell vom Mit- und Gegeneinander in zwischenmenschlichen Beziehungen.  

Christian Horn     
 

 

 
Filmdaten 
 
Interview (2007) (Interview (2007)) 
 
USA 2007
Regie: Steve Buscemi;
Darsteller: Steve Buscemi (Pierre Peders), Sienna Miller (Katya), Michael Buscemi (Robert Peders), Tara Elders (Maggie), David Schechter, Molly Griffith, Elizabeth Bracco, James Franco u.a.;
Drehbuch: Steve Buscemi und David Schechter nach dem Originaldrehbuch von Theodor Holman; Produktion: Bruce Weiss, Gijs van de Westelaken; Kamera: Thomas Kist; Musik: Evan Lurie; Schnitt: Kate Williams;

Länge: 84 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Kinowelt Filmverleih GmbH (heute: StudioCanal); deutscher Kinostart: 29. Mai 2008



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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