22.09.2009
Inglourious Basterds
![]() "Inglourious Basterds" ist kein Film aus einem Guss. Aber selbst ein etwas schwächerer Tarantino-Streifen ist sehenswerter als manch anderer Film. Vorweg sei eine Warnung ausgesprochen: "Inglourious Basterds" enthält einige Szenen, die unerträglich sind. Mehrere blutige Schießereien sind zu sehen. Aber die sind noch harmlos gegenüber den Szenen, in denen die "Basterds" soeben getötete Nazis skalpieren. Oder noch lebenden Nazis ein Hakenkreuz in die Stirn schneiden. Wer Quentin Tarantinos Filme kennt, weiß: Er mag nicht ohne Gewalt auskommen. Einen Monat nach dem deutschen Kinostart von "Inglourious Basterds" fand ein Film von Lars von Trier – "Antichrist" – den Weg in die deutschen Kinos. Man kann sich streiten, welcher der beiden Filme blutiger ist. Ist die vermittelte Brutalität eventuell kennzeichnend für die Zeit, in der wir leben, in der eine Abstumpfung eingesetzt hat, mit ausgelöst vor allem durch Al Qaida und durch die Kriege, in die George W. Bushs Regierung die Welt geführt hat, mitsamt den Folter-Bildern aus Guantanamo und Abu Ghraib? Im Film und Fernsehen wird mittlerweile auch gefoltert, was das Zeug hält. Und gerade die Hauptfiguren, die eigentlichen Helden von Spielfilm und TV-Serie, greifen auf Folter als Verhörmethode zurück. In "Mission: Impossible III" geht Tom Cruises Rollenfigur Ethan Hunt nicht zimperlich mit seinem Gegenspieler um, in der Serie "24" ist es Jack Bauer (Kiefer Sutherland), der so Terroristen zum tiefgehenden Gespräch bittet. In "Inglourious Basterds" befragt einmal Lt. Aldo Raine (Brad Pitt) eine angeschossene Person, ob sie wirklich auf seiner Seite sei, indem er seinen Finger wortwörtlich in die Wunde bohrt.
In Cannes wurde Quentin Tarantino auf der Pressekonferenz gefragt, warum er von der Historie abgewichen sei. Das Ende des Zweiten Weltkriegs hätte anders verlaufen müssen, antwortete er, zu langwierig, zu wenig sensationell sei das wahre Ende Hitlers gewesen. Das ist Kino. Es gibt Tarantino die Möglichkeit, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Es funktioniert – aber es bleibt nur eine Phantasmagorie, ein Trugbild, ein vergebliches Wunschdenken: Erfolgreicher Widerstand, schön wär's gewesen, das gab es leider so nicht, vom Attentat auf Reinhard Heydrich 1942 einmal abgesehen. Später erst gab es die jüdische Rache: beispielsweise bei der erfolgreichen Suche nach Adolf Eichmann. Was Tarantino zeigt, ist die neue Art der Rache, die Rache des 21. Jahrhunderts. Rache, wie sie die US-Amerikaner praktizierten und praktizieren, Rache für das World Trade Center und das Pentagon, gegen die Taliban und ihren einstigen Gast Osama Bin Laden im Afghanistan-Krieg, sowie gegen Saddam Husseins Irak, den angeblichen Verbündeten von Al Qaida. An diese Kriegsführung erinnert die Handelsweise der Basterds und Shosannas. Einwände darf man dagegen insofern haben, als dass Tarantino die Juden den Nazis ebenbürtig macht, ja sie überholen sie im Film in der Grobschlächtigkeit, weil die im Film gezeigten Nazis, vom kultivierten Landa und seinen Männern abgesehen, keine bösen Handlungen gegen Juden begehen. Damit wird Tarantino aber keineswegs zum Antisemiten. Er drückt so stattdessen seine Bewunderung für Juden aus, auf seine ihm eigene Weise, die darin besteht, dass Tarantino Gewalt ja liebt und er Juden sie durchführen lässt. Fragwürdig bleibt dieser Ansatz freilich.
Eine Frage zum Schluss: Glaubt Tarantino wirklich, Hitler wäre im Pariser Kino so schlecht geschützt worden, wie es im Film dargestellt ist? Michael Dlugosch /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Universal Filmdaten Inglourious Basterds (Inglourious Basterds) USA / Deutschland 2009 Regie & Drehbuch: Quentin Tarantino; Darsteller: Brad Pitt (Lt. Aldo Raine), Mélanie Laurent (Shosanna Dreyfus), Christoph Waltz (Oberst Hans Landa), Eli Roth (Sgt. Donny Donovitz), Michael Fassbender (Lt. Archie Hicox), Diane Kruger (Bridget von Hammersmark), Daniel Brühl (Fredrick Zoller), Til Schweiger (Hugo Stiglitz), Gedeon Burkhard (Wilhelm Wicki), Jacky Ido (Marcel), B.J. Novak (Smithson Utivich), Omar Doom (Omar Ulmer), August Diehl (Major Dieter Hellstrom), Denis Ménochet (Perrier LaPadite), Sylvester Groth (Joseph Goebbels), Martin Wuttke (Adolf Hitler), Mike Myers (General Ed Fenech), Julie Dreyfus (Francesca Mondino), Richard Sammel (Werner Rachtman), Samm Levine (Gerold Hirschberg), Rod Taylor (Winston Churchill), Ken Duken, Christian Berkel, Ludger Pistor, Jana Pallaske, Alexander Fehling, Arndt Schwering-Sohnrey, Sönke Möhring, Léa Seydoux, Rainer Bock, Eva Löbau, Michael Kranz, Vitus Wieser u.a.; Produktion: Lawrence Bender; Co-Produktion: Christoph Fisser, Henning Molfenter, Charlie Woebcken; Ausführende Produktion: Lloyd Philips, Erica Steinberg, Bob Weinstein, Harvey Weinstein; Kamera: Robert Richardson; Länge: 154 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih von Universal Pictures; deutscher Kinostart: 20. August 2009 Auszeichnungen: Filmfestival Cannes 2009:
67. Golden Globes 2010:
82. Academy Awards 2010:
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