27.02.2012
Löwenmütter

Im Reich der Raubkatzen


Im Reich der Raubkatzen "Der schlimmste Alptraum einer Mutter" wird für Sita wahr. Eines Tages ruft die junge Mutter vergeblich nach ihren Kindern, die ihre schlimmsten Feinde entführt haben. Nur wenn sie schnell handelt, kann Sita sie retten, nur wenn sie schnell ist, kann sie ihre Kleinen durchbringen, wenn Dürre alle Nahrung rarmacht und ihre Feinde auf der Lauer liegen, nicht nur nach Wild, sondern ihren Kindern. Die Welt ist nicht nur für Sita, von der jeder weiß, dass sie eine "alleinstehende Mutter" ist, gefährlich. Layla hat den in dem alten Kriegsveteranen Fang, dessen alte Kampfwunden ihr ganzes Umfeld als Ehrenzeichen sieht, den "besten Papa der Welt" für Mara gefunden. Eine fatale Verletzung Laylas und die Bedrohung durch den finsteren Kali und seine drei Söhne zwingen Mara ihren sprichwörtlichen Mut zu beweisen. Denn Mara ist eine Löwin in der Savanne Massai Mara Nationalpark, in dem auch die Gepardin Sita lebt.

"Gemeinsam sind sie die größte Macht im Land." Was für Kali und seine Söhne gilt, die Keith Scholey und Alastair Fothergill in jener Szene zeigen, trifft noch mehr auf die Disney-Studios zu, wenn sie sich mit Großkatzen vereinen. Der Hintergrundkommentar umschreibt kongenial die Raubtiernatur von Disneys "Im Reich der Raubkatzen" – nicht nur der titelgebenden Fleischfresser, sondern die des Unterhaltungsfilms, der ihr ursprüngliches Wesen an die Kette der Konvention legt. Der unheilvolle Tonfall von Sprecher Samuel L. Jackson (in der deutschen Fassung: Thomas Fritsch) warnt neben Maras Rudel unterschwellig das Publikum vor einer drohenden Übernahme, die längst gewiss ist: die des Tierfilms durch sentimentale Doku-Fiktion. Die Filmbranche ist eine Wildnis, in der das Recht des Stärkeren gilt. Familienwerte sind stärker als Kenias Faszination, Sentimentalität stärker als Sensibilität, Moralbotschaften stärker als Mahnung zum Umweltschutz, wenn die Jagd nach Beute auf das Publikum zielt.

Im Reich der RaubkatzenObwohl die grandiosen Tierbilder anderes verheißen, ist „Im Reich der Raubkatzen“ kein Naturfilm, sondern ein „Disneynatur“-Film. Das Gesetz süßlicher und moralischer Familienunterhaltung verdrängt auf der Leinwand das Gesetz der Savanne spielerischer als ein herumtollendes Junges. Der Fluss, der die Reviere von Löwen und Geparden trennt, wird zur symbolischen Grenze zwischen gesellschaftlichen Lebenskonzepten, zu deren Allegorie animalische Verhaltensweisen werden. Die Natur ist darin keine Einheit, sondern ein staatspolitisches Miniaturbild. Hier gibt es Königreiche, feindliche Invasionen und Arten, die so böse sind, dass der durch einen dunkelmähnigen Löwen abgelöste Fang sie vermutlich Schurken-Tiere nannte. Zwischen dem von fiesen Krokodilen bewohnten Fluss und den zu "Todfeinden" erklärten Hyänen verläuft die Achse des Bösen, von der bezeichnenderweise das gierigstes Raubtier ausgenommen ist: der Mensch. Die Hyänen sind in "Im Reich der Raubkatzen" Namenlose, die augenscheinlich keine niedlichen Jungen haben, genauso wie Krokodile und Zebras, die zum Feindbild oder Beuteschema von "African Cats" (so der Originaltitel des Films) gehören.

Die Namensgebung der Tiere steht sinnbildlich für den Widerspruch von ökologischer Authentizität und der ambivalenten Inszenierung. Die "African Cats" sind derart vermenschlicht, dass die atemberaubenden Kameraaufnahmen kaum ihr animalisches Wesen bewahren können. Der in malerischen Landschaftspanoramen eingefangene Massai Mara Nationalpark und seine faszinierende Fauna dienen als Kulisse eines Tiermärchens, das die Mutter-Kind-Dramatik von "Bambi" verdoppelt. Jungtieren, die ihre "Lektion" nicht rechtzeitig lernen, droht der Tod. Einer "alleinstehenden Mutter" wie Sita, impliziert der Hintergrundkommentar, fehlt die schützende Pranke eines Männchens. Dass der "beste Papa der Welt" Fang die Löwinnen und Jungtiere zurücklässt, gilt nach dem filmischen Konzept als Feigheit; dass die neuen Leitmännchen Fangs Junge töten könnten als Grausamkeit.

In der Tierwelt wirkt der menschliche Wertmaßstab von Gut und Böse, Liebe und Hass ähnlich deplatziert wie Jacksons irritierender Jargon. "Im Reich der Raubkatzen" rückt seinen kindlichen Zuschauern die Natur optisch näher, das Verständnis für sie betäubt die fragwürdige Familienunterhaltung.  

Lida Bach / Wertung:  * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Disney

 
Filmdaten 
 
Im Reich der Raubkatzen (African Cats - Kingdom Of Courage) 
 
USA 2011
Regie: Alastair Fothergill, Keith Scholey;
Deutscher Sprecher: Thomas Fritsch; Sprecher im Original: Samuel L. Jackson, Patrick Stewart;
Drehbuch: Keith Scholey, John Truby; Produktion: Keith Scholey, Alix Tidmarsh; Kamera: Sophie Darlington, Simon Werry; Musik: Nicholas Hooper; Schnitt: Martin Elsbury;

Länge: 92,36 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih von Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH; deutscher Kinostart: 19. April 2012



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<27.02.2012>


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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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