20.02.2013
Das Leben ist ein Country-Song

I Used to Be Darker


I Used to Be Darker: Deragh Campbell "Musik spielt eine wichtige Rolle in 'I Used to Be Darker'", verrät Matt Porterfield über sein zielloses Familien- und Beziehungsdrama, das wie sein zweiter Spielfilm "Putty Hill" auf der Suche nach emotionaler Tiefe den eigenen Handlungsinhalt aus den Augen verliert. "Ich war immer an der Idee interessiert den Einsatz von nicht-diegetischer Musik in meinem Filmen auf ein Minimum zu beschränken", sagt der Independent-Regisseur. In seinem nachlässigen Beitrag zum Berlinale Forum gelingt ihm das – leider nicht nur beim nicht-diegetischen Soundtrack, sondern auch bei Story und Figuren.

Letzte sind die junge Taryn (Deragh Campbell), die statt wie mit ihrer Mutter vereinbart nach Wales zu fahren bei ihrer Tante Kim (Kim Taylor), Onkel Bill (Ned Oldham) und der gleichaltrigen Cousine Abby (Hannah Gross) in Baltimore auftaucht. Grund für das spontane Umwerfen ihrer Reisepläne ist eine gescheiterte Liebe. Mit einer solchen plagen sich auch Kim und Bill, die mitten in der Trennung stecken. Das Auseinandergehen der Eltern belastet besonders Abby und treibt Risse in ihre Freundschaft zu Taryn, die ihrerseits ein ganz eigenes Familienproblem mit sich herumträgt. Was das für eines ist lassen nicht nur ihre Klagen über Gewichtszunahme früh erahnen, sondern vor allem die Konventionalität, die der musizierende Mix aus Mainstream und Mumblecore unter seiner Unregelmäßigkeit verbirgt. Der profane Plot stützt sich auf ein inszenatorisches Schema, das Komplexität und dramatischen Tiefgang mit beiläufigen Dialogen, sporadischer Handlung und Grunge-Look, sowohl der bei den Protagonisten als auch der Ausstattung behauptet.

I Used to Be Darker "Vielleicht schreibst du einen Song darüber", schlägt Kim spöttisch ihrem Ex-Mann vor. Ihren Rat hätte auch Porterfield bei seiner seichten Thematik besser beherzigt. "Auf Überraschungen" stoßen Bill und Taryn an ihrem ersten gemeinsamen Abend an, doch auf die wartet man vergebens. Stattdessen schleppen sich die unspektakulären Ereignisse von einer Musikeinlage zur nächsten, bis der stete Sing-Sang zum Schlaflied für den Zuschauer wird. Für die instrumentale Klangkulisse interessierte sich "I Used to Be Darker", dessen Titel passenderweise dem Text eines Lieblingssongs des Regisseurs entstammt, mehr als für die persönlichen Konflikte der Figuren. Kommen sie in ein Zimmer, spielt dort eine Band oder es findet eine Songprobe statt. Auf der Autofahrt läuft das Radio, auf das sich die Kamera hochgespannt fixiert, und daheim werden alte Platten aufgelegt. Bevor auch nur in einer Szene überhaupt keine Musik spielt, setzt sich Taryn selbst ans Piano, Kim tritt vors Mikrofon und Bill greift zur Gitarre.

Die zerschmettert er anschließend, damit unmissverständlich klar wird, dass das Milieu, das Porterfield müde betrachtet, total alternativ und keineswegs pseudo-unkonventionelles weißes Bildungsbürgertum ist und dass sich tiefe Emotionen in den improvisatorischen Songzeilen verbergen. Wer hofft, das sei das Ende vom Lied freut sich zu früh. Das Internet vergisst nie, beweist Abby, die anscheinend Bills musikalische Anfänge gegoogelt hat: "Ich hab dich in den Neunzigern gefunden, auf YouTube." Dort wäre auch Porterfields kakophone Coming-of-Age-Story besser aufgehoben.  

Lida Bach / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Berlinale

 
Filmdaten 
 
I Used to Be Darker (I Used to Be Darker) 
 
USA 2013
Regie: Matt Porterfield;
Darsteller: Deragh Campbell (Taryn), Hannah Gross (Abby), Ned Oldham (Bill), Kim Taylor (Kim), Nicholas Petr (Nick), Geoff Grace (Geoff), Adèle Exarchopoulos (Camille) u.a.;
Drehbuch: Amy Belk, Matt Porterfield; Produzenten: Eric Bannat, Steve Holmgren, Ryan Zacarias; Kamera: Jeremy Saulnier; Schnitt: Marc Vives;

Länge: 90 Minuten; deutscher Kinostart: 9. Januar 2014
ein Film im Forum der 63. Berlinale 2013



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der Film im Katalog der 63. Berlinale 2013
<20.02.2013>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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