26.05.1999
Eine bittere und tragische Komödie der gescheiterten Wege
Happiness
Schon in den melancholischen Stadtbildern von Robert Altmans Short Cuts (Short Cuts, 1993) und John Herzfelds 2 Tage L.A. (Two Days in the Valley, 1996) kam ein schemenhaftes Netz aus Zufall, Blutsbande und Begierden zu Tage, das die Menschen fast unweigerlich miteinander verknüpft. Auf der anderen Seite des amerikanischen Kontinents, im mittelständischen Vorland von New York, spielen die Filme des Regisseurs Todd Solondz.
![]() Da ist die glamouröse Helen, eine erfolgreiche Autorin von pornografischen Werken, die sich nicht dadurch befriedigt fühlt, jeden Mann haben zu können, sondern bedauert, in ihrer Jugend nicht das authentische Erlebnis einer Vergewaltigung gehabt zu haben. Dies drängt sie dazu, sich mit einem abstoßenden Telefononanisten abzugeben, dem schwitzenden, keuchenden, übergewichtigen Allen. Der droht: "Ich will dich so hart ficken, bis es dir zu den Ohren herauskommt". Helens Schwester Trish scheint ihren Weg gefunden zu haben in eine Familienidylle, in der sie mit ihrem Mann Bill, einem Psychiater, und ihren Kindern lebt. Die Idylle trüben könnte allerdings das Wissen um die Tatsache, dass Bill tatsächlich ein Päderast ist, der auch seinem Sohn immer wieder Hilfestellungen anbietet. Die dritte Schwester im Bunde ist die naive, verletzliche Joy, die noch im elterlichen Haus wohnt und von ihren Schwestern ständig bemitleidet wird ob ihres ausbleibenden Erfolges im Berufs- und im Beziehungsleben. Immer wieder erklingen Töne von Mozarts Cosi fan tutte, der Oper über Untreue und fehlende Moral. Bei Todd Solondz ist die Keimzelle der Gesellschaft, die Familie, ein Panoptikum aus Angst, Sehnsucht, Lust, Perversion, Inzest und Lüge - und dem Streben nach Glück, das in Enttäuschung, Zurückweisung, Verzweiflung und Selbstmord mündet. Vielleicht weckt gerade die Verzweiflung und der teils krankhafte Zwang, der nicht anders handeln lässt, Verständnis oder Mitleid für die Figuren. So kommt nicht der Gedanke auf, man habe es nur mit einem unwirklichen Zirkus zu tun, sondern man glaubt tatsächlich, so machen's alle, und nur sehr selten wird der Bogen überspannt. Solondz lässt die Institution Familie am Abgrund wandeln, doch trotz aller Obsessionen nie abstürzen. Schließlich kennt sie Mechanismen, mit denen sie ihre Funktionalität erhalten und so überleben kann.
Den amerikanischen Universal-Studios war dies alles zuviel. Sie verboten ihrer Independent-Tochter October Films, den Film in die Kinos zu bringen. Daraufhin gründeten die Produzenten von Good Machine einen eigenen Verleih, der das Werk schließlich doch den Zuschauern zugänglich machte. Die Würdigung wartete in Cannes, wo Happiness den Internationalen Kritikerpreis bekam.
Philipp Wallutat
/ Wertung:
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(4 von 5)
Filmdaten Happiness (Happiness) USA 1998 Regie: Todd Solondz; Drehbuch: Todd Solondz; Produktion: Ted Hope, Christine Vachon; Ausführende Produzenten: David Linde, James Schamus; Kamera: Maryse Albert; Musik: Robbie Kondor; Schnitt: Alan Oxman; Darsteller: Jane Adams (Joy Jordan), Dylan Baker (Dr. Bill Maplewood), Cynthia Stevenson (Trish Maplewood), Lara Flynn Boyle (Helen Jordan), Jared Harris (Vlad), Philip Seymour Hoffman (Allen), Camryn Manheim (Kristina), Ben Gazzara (Lenny Jordan), Louise Lasser (Mona Jordan), Jon Lovitz (Andy), Douglas McGrath u.a. Länge: 134 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; deutscher Kinostart: 18. März 1999 Auszeichnungen:
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