26.12.2012
Hannah Arendt
![]() Die filmische Annäherung an das Leben von Malern, Musikern, Schauspielern, kurzum von Künstlern hat im Genre des Bio-Pic im letzten Jahrzehnt eine regelrechte Blüte erlebt. Man denke an die psychologisch lug austarierte Verfilmung "Klimt" von Raul Ruiz, der 2005 dem österreichischen Jugendstilmalers Gustav Klimt ein filmischen Denkmal setzt. Der exzentrische John Malkovich mimt den nicht minder exzentrischen Wiener Maler. Oder an "Walk the Line" (2005), James Mangolds Johnny-Cash-Bio, in der Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon die Country-Music-Granden brillant verkörpern. Und im selbigen Jahr liefert Bennet Miller mit "Capote" ein reizvolles Porträt des selbstgefälligen wie schillernden amerikanischen Schriftstellers. Miller fokussiert seine Handlung aber vor allem auf Capotes Lebensabschnitt, in dem sein furioser Erzählbericht "In Cold Blood" entsteht. Eine Erfahrung und Umstände die das Leben des Autors wesentlich prägen und ändern sollen.
Überhaupt ist das Schauspielerensemble, das von Trotta versammelt nicht von schlechten Eltern: Axel Milberg, Ulrich Noethen, Julia Jentsch und Michael Degen. Eine besondere wie nachhaltige Note erhält die Darstellung von Degen insofern, als der Schauspieler Degen, selbst jüdischer Herkunft, seinen Vater im KZ Sachsenhausen verloren hat, und sich immer wieder auch öffentlich mit den Verbrechen durch den Nationalsozialismus auseinandersetzt.
Gewiss fragt man sich warum eine Frau vom Schlage Arendts mit solch überzeugender Scharf- und Weitsicht ausgestattet, dem Blendwerk Eichmanns ein Stück weit aufgesessen ist. Sicherlich, es war eine Spezialität der Nazi-Größen durch eine fulminante Maskerade, auch nach dem finalen Zusammenbruch, Menschen hinters Licht zu führen. Speer ist hierfür ein Beispiel. Man bedenke jedoch die damals wenig profunde und zugleich überschaubare Quellenlage, und die Sassen-Papiere waren zu jener Zeit in ihrer Form kaum verwertbar. In einer Kritik ist zu lesen der Film sei ein "Redefilm", bleibe aber als "Historienfilm" dem Kenntnisstand der damaligen Zeit verhaftet. Diese Zuschreibungen sind gleichermaßen absurd und grotesk. Nun ist jeder Film nach dem Stummfilm ein Film in dem geredet wird, nur dass bei Woody Allen, Truffaut oder Robert Altman sicherlich mehr gesprochen wird als bei Theo Angelopoulos oder bei Tarkowski. Und "Ben Hur" ist ein Historienfilm, aber "Hannah Arendt" wohl kaum. Historische Details, offene Fragen, die Analyse und Auswertung des vorhandenen Materials und die Bewertung der historischen wie philosophischen Thesenbildungen müssen in den Hörsälen und Forschungsseminare der Universitäten erörtert werden. Der Film ist weit davon entfernt dies leisten zu können und leisten zu wollen. Der Film "Hannah Arendt" ist ein wichtiger und gleichwohl gelungener Ausschnitt aus dem Leben einer kämpferischen (Vor)Denkerin, die in und zu ihrer Zeit wagemutig kontroverse Themen (die Rolle der Judenräte im Nazi-Deutschland, die Frage nach der Neutralität des Gerichts im Eichmann-Verfahren, den moralischen Verfall von Tätern und Opfern etc.) thematisierte. Auch gegen erhebliche Widerstände. Der Film zeigt aber mindestens mit dem gleichen Schwung, dass hinter einer starken Frau, deren schneidender Duktus sicherlich gewöhnungsbedürftig sein konnte, auch eine Verletzlichkeit verborgen war, eine emotionale wie humorige Frau, die schlussendlich immer auf die Kraft des Rationalen setzte. Sven Weidner
Quelle der Fotos: Heimatfilm / NFP Filmdaten Hannah Arendt Deutschland 2012 Regie: Margarethe von Trotta; Darsteller: Barbara Sukowa (Hannah Arendt), Axel Milberg (Heinrich Blücher), Janet McTeer (Mary McCarthy), Julia Jentsch (Lotte Köhler), Ulrich Noethen (Hans Jonas), Michael Degen (Kurt Blumenfeld), Nicholas Woodeson (William Shawn), Victoria Trauttmansdorff (Charlotte Beradt), Klaus Pohl (Martin Heidegger), Friederike Becht (junge Hannah Arendt), Harvey Friedman (Thomas Miller), Claire Johnston (Ms Serkin), Gilbert Johnston (Professor Kahn), Tom Leick (Jonathan Schell), Megan Gay (Francis Wells), Ralph Morgenstern (Moderator) u.a.; Drehbuch: Pam Katz, Margarethe von Trotta; Produzeten: Bettina Brokemper, Johannes Rexin; Produktion: Heimatfilm GmbH + Co KG; Kamera: Caroline Champetier; Musik: André Mergenthaler; Schnitt: Bettina Böhler; Länge: 113,28 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih der NFP marketing & distribution GmbH; deutscher Kinostart: 10. Januar 2013
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