14.02.2016
Ein Film der Berlinale 2016, Sektion Panorama

Grüße aus Fukushima


Fünf Jahre nachdem Fukushima von einem Erdbeben, einer Flutwelle und dem Reaktorvorfall heimgesucht wurde ist die radioaktiv verseuchte Sperrzone wieder frei begehbar. Die Geigerzähler knattern zwar, aber die Strahlung liegt offiziell im unbedenklichen Bereich. Ein Teil der Menschen, die damals ihre Existenz verloren, leben noch immer in Notunterkünften. Die Zeit ist reif für ein bisschen Katastrophen-Tourismus und Doris Dörrie hat den perfekten Begriff dafür. "Radiation-Vacation".

Grüße aus FukushimaIm Handlungskontext wird der Ausdruck etwas anders verwendet. Dennoch wird er unfreiwillig zur treffenden Zusammenfassung von Dörries neuem Filmprojekt. Das handelt von der ach so liebenswerten Elendstouristin Marie (Rosalie Thomass), die in den Anfangsszenen im Brautkleid durch die heimische Landschaft rennt. Der Bräutigam in spe ist auf der Flucht vor Marie, die einen Galgenstrick dabei hat. Ob sie ihn aufhängen könnte oder sich selber, verrät die Regisseurin vorerst nicht. Dafür macht sie unmissverständlich klar, dass hier gerade Hochdramatisches geschieht. So hochdramatisch, dass alles in schwarz-weiß gedreht werden muss. Ein Schnitt und Marie steht an einer Kreuzung mitten in Japan, mit vollem Rucksack und Clowns-Make-up. Letztes soll Charity-Work sein, denn was brauchen Menschen, die Angehörige und ihr Zuhause verloren haben und nun vergessen in Baracken leben? Genau, gute Laune! Wenn sie selbst davon nicht genug haben, muss ihnen die jemand mitbringen. Darum ist Marie mit der Organisation Clowns4Help angereist. Und, wie sie zugibt, um sich angesichts des Leidens anderer besser zu fühlen. Alle, die Clowns schon immer misstraut haben, hatten also recht.

Grüße aus Fukushima Dummerweise hat Marie zwar Hula-Hoop-Reifen im Gepäck, aber nicht sonderlich viel gute Laune. Außerdem mag das ausschließlich aus alten Leuten bestehende Publikum in Fukushima die Tricks von Maries Clown-Kollegen Moshe (Moshe Cohen) lieber. Als Marie, die auf Japanisch nicht mal sayonara und arigato sagen kann, obendrein feststellen muss, dass die Katastrophen-Überlebenden im Seniorenalter bei ihrem Hula-Kurs nicht gerade zu Höchstform auflaufen, packt sie frustriert ihre Klamotten. Weil aber noch rund anderthalb Stunden Filmzeit gefüllt werden müssen, wird die Heldin von der alten Satomi (Kaori Momoi) aufgehalten. Satomi möchte von der jungen Frau zu ihrem ehemaligen Heim gefahren werden. Dort angekommen, weigert sie sich, zum Camp zurückzukehren. Natürlich bringt es Marie bei allem Egoismus nicht übers Herz, die eigensinnige alte Dame inmitten der Ruinen sich selbst zu überlassen. Während sie Satomi bei der Wiederherrichtung des Hauses hilft, entspinnt sich zwischen den unterschiedlichen Frauen eine Freundschaft. Satomi, die letzte Geisha Fukushimas, findet in der robusten Marie so etwas wie eine Schülerin. Dies weckt Erinnerungen an ihre letzte Geisha-Schülerin, die bei der Flutwelle ums Leben kam und deren Geist dem ungleichen Paar wortwörtlich keine Ruhe lässt.

Bereits Dörries Publikumsliebling "Kirschblüten – Hanami" spielte in Japan. Nun will die Filmerin offenbar an den finanziellen Erfolg anknüpfen. Ihre Story ist allerdings ebenso plakativ wie vorhersehbar. Marie bewältigt ihre eigene banale Tragödie, indem sie Satomi bei der Bewältigung von deren Vergangenheit hilft. Der Gestus kommt dabei zugleich gönnerhaft und prätentiös daher. Die Darstellerinnen, die wenigstens ein paar humorvolle Momente einbringen, können daran kaum etwas ändern.  

Lida Bach / Wertung: * * (2 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Hanno Lentz/Majestic

 
Filmdaten 
 
Grüße aus Fukushima  
 
Deutschland 2016
Regie & Drehbuch: Doris Dörrie;
Darsteller: Rosalie Thomass (Marie), Kaori Momoi (Satomi), Moshe Cohen (Moshe), Nami Kamata (Nami), Aya Irizuki (Tochter) u.a.;
Produzenten: Harald Kügler, Molly von Fürstenberg; Kamera: Hanno Lentz; Musik: Ulrike Haage; Schnitt: Frank Müller;

Länge: 108,01 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Majestic Filmverleih GmbH; deutscher Kinostart: 10. März 2016



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Der Film im Katalog der Berlinale
<14.02.2016>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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