08.07.2010
Gregs Tagebuch - Von Idioten umzingelt!
Manche Dinge sind von Anfang an faul. Wie die Käsescheibe, die seit Schülergedenken auf dem Hof von Gregs Schule liegt. Hier verbringt der ehemalige Grundschüler sein erstes Jahr an der Junior High School und verfasst "Gregs Tagebuch". Faul ist auch manches an Thor Freudenthals Kinoadaption des gleichnamigen Buchs. Der reale Autor des "Tagebuch eines schwächlichen Kindes" ist Kinderbuchautor Jeff Kinney, dessen Kombination von Textpassagen und Cartoons die Vorlage zu einem Bestseller machte. Dass Greg, der sich "Von Idioten umzingelt" fühlt, den begehrten Ehrenplatz im Schuljahrbuch verdient, bezweifelt allerdings sogar sein bester Freund: "Klassen-Clown, dazu könnten sie mich sofort erklären." - "Müsstest du dazu nicht witzig sein?" Genau. Leider ist es weder das Wimpy Kid noch Freudenthals unsympathischer Kinderfilm.
Aus der Perspektive des mit einem dümmlichen älteren Bruder (Devon Bostick) und verständnislosen Eltern (Rachael Harris und Steve Zahn) geschlagenen Greg Heffley (Zachary Gordon) ist das erste High-School-Jahr das Jahr der Entscheidung, in dem der Rang auf der Beliebtheitsskala festgelegt wird. Wer es in der Mittelstufe nicht schafft, ist für den Rest seines Lebens verdammt, ein Außenseiter und Versager zu sein. Desgleichen will Greg selbstverständlich vermeiden und blickt mit beschämter Verachtung auf seine ehemaligen Grundschulkameraden. Dass aus niedlichen kleinen Kindern plötzlich merkwürdige Oberstufenschüler werden, mussten bereits Generationen von Kinderstars feststellen. Dieses Phänomen führt "Diary of a Wimpy Kid" exemplarisch an den alten Schülerfotos vor. Der Auftakt zu den permanenten Tiraden über peinliche, uncoole, dämliche – aus Gregs Perspektive kurz: kindliche Kinder. Verkörperung dieses Contra-Vorbilds ist Gregs angeblich bester Freund Rowley (Robert Capron). Bester Freund? Greg schmäht Rowley, verspottet ihn, bricht ihm den Arm und schiebt ihm schließlich seine eigenen Missetaten in die Schuhe. Als sogar der genügsame Rowley ihm den Rücken kehrt, merkt Greg, das ein Freund besser ist als keiner. Der fiktive kindliche Autor des "Diary of a wimpy kid" sei ein lustiger Held, mit dem sich Gleichaltrige identifizieren könnten, befindet das Presseheft. "Unsere Aufgabe war sicher zu stellen, dass Greg und seine Freunde den Übergang vom Buch zum Film komplett mit all ihren Fehlern bestehen", sagt Co-Drehbuchautorin Jackie Filgo. Das ist ihr und Jeff Filgo anscheinend gelungen. Die Charaktere des Familienfilms sind so flach und skizzenhaft wie ihre in kurzen Cartoon-Szenen eingeblendeten Comic-Vorbilder erscheinen. "Müsste der Humor nicht etwas intelligenter sein?", fragt sich da selbst der Hauptcharakter. Nein, dachten sich die Filmemacher. Freudenthal bevölkert seine Filmwelt nicht mit Persönlichkeiten, sondern klischeehaften Karikaturen. Bewertet werden sie nach den Kriterien des vom Film idealisierten Sozialprestiges: Brille = Trottel, dick = Trottel, Sommersprossen = Trottel, Kinder, die lesen = Trottel. Wenn ihre bevorzugte Lektüre Kinneys "Diary of a Wimpy kid" ist, mag letztes eventuell sogar zutreffen. Popularität ist laut "Gregs Tagebuch" Bedingung für Freundschaft, Individualität und Selbstrespekt. Anbiedern, Selbstverleugnung und Egoismus werden als legitime Waffen dargestellt, wenn als Preis im kindlichen Sozialkampf ein Platz im Schuljahrbuch winkt. Kinneys Botschaft für die "zukünftigen Leser" von "Gregs Tagebuch", derer er sich in Erwartung des Filmerfolgs sicher scheint, eignet sich somit auch für die Kinozuschauer: "Ich würde ihnen sagen, dass alles schnell vorüber sein wird und dann habt ihr's durchgestanden." Lida Bach /
Wertung:
0 von 5 Punkten
Quelle der Fotos: 20th Century Fox Filmdaten Gregs Tagebuch - Von Idioten umzingelt! (Diary of a Wimpy Kid) USA 2010 Regie: Thor Freudenthal; Darsteller: Zachary Gordon (Greg Heffley), Robert Capron (Rowley Jefferson), Rachael Harris (Susan Heffley), Steve Zahn (Frank Heffley), Devon Bostick (Rodrick Heffley), Chloë Grace Moretz (Angie) u.a.; Drehbuch: Jackie Filgo, Jeff Filgo; Produktion: Nina Jacobson, Bradford Simpson; Co-Produktion: Ethan Smith; Kamera: Jack N. Green; Musik: Theodore Shapiro; Länge: 93 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Twentieth Century Fox; deutscher Kinostart: 16. September 2010
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