18.02.2013
Madame empfiehlt sich
"Es gibt in meinem Leben nicht einen Moment, der mir einfallen würde, der nicht von einem ihrer Filme beeinflusst ist", sagt Emmanuelle Bercot über die Hauptfigur ihrer bigotten Belanglosigkeit. Auch im Leben der Protagonisten gibt es keinen Moment, der nicht vom Film beeinflusst wäre. Allerdings sind es nicht Leinwandklassiker einer französischen Filmikone, sondern der Horrorfilm eines Mainstream-Regisseurs.
"Nummer drei: nie, niemals, unter irgendwelchen Umständen sag: Ich komm gleich wieder. Denn du wirst nicht wieder kommen." Bettie sagt "Ich komm gleich wieder" und geht bloß schnell Zigaretten holen. Unzählige Menschen sind davon nie zurückgekehrt. Eine davon ist Bettie, die ihr eigenes Restaurant auf der Suche nach Zigaretten zurücklässt und ins Auto steigt. Der Wagen ist ein Klassiker, der seine besten Tage längst hinter sich hat; wie die Fahrerin, die einst regionale Schönheitskönigin war. "Miss Bretagne" 1969 kennen lediglich die Miss-Wahl-Kuratoren, die sie mit Telefonanfragen zu einem Jahrgangs-Treffen plagen. Gleiches tut Bettie mit dem Langzeitliebhaber, der sie abrupt verlässt. Derart frustriert muss sie wenigstens die Sucht befriedigen und geht – "Elle s‘en va", zitiert Catherine Deneuve den Originaltitel der seichten Hommage, in der sie womöglich deshalb schlicht Catherine Deneuve ist, weil Bercot es so will.
Jede Station zeigt ihr, dass sie ausgeliefert ist ohne Mann, und sei es nur ihr Enkel. Ihn ersetzt der Großvater, der Bettie im Krankenhaus aufsucht. Dorthin bringt sie die Ohnmacht, in der ihre Hilflosigkeit kulminiert. Nach dem Erwachen ist sie auf dem Weg der Besserung, körperlich und charakterlich. Ihre Rekonvaleszenz zum Reaktionismus verklärt das Bravourstück an Bourgeoisie mit einer Familienszene, bei der sich die Provinzelite im Landhausidyll zum Gartenschmaus trifft. Wie es sich für eine anständige Tochter, Mutter und Oma gehört steht Bettie dort statt im eigenen Restaurant in der Küche des Kindesvaters, um den Bürgermeisterkandidaten, seine Freunde und vier Generationen zu bekochen. Wie sie zu Filmbeginn erkennt: "Ich bin eine liebende Frau, die betrogen wurde." Vom Leben und einem Film, der Selbsteinkerkerung als Selbstbefreiung ausgibt. Lida Bach /
Wertung: *
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Quelle der Fotos: Jean-Marie Leroy (Foto oben), Fidelité (Foto unten) über berlinale.de Filmdaten Madame empfiehlt sich (Elle s'en va) Frankreich 2013 Regie: Emmanuelle Bercot; Darsteller: Catherine Deneuve (Bettie), Némo Schiffman (Charly), Gérard Garouste (Alain), Camille (Muriel), Claude Gensac (Annie), Paul Hamy (Marco), Mylène Demongeot (Fanfan), Hafsia Herzi (Jeanne) u.a.; Drehbuch: Emmanuelle Bercot, Jérôme Tonnerre; Produktion: Fidelité Films; Produzenten: Olivier Delbosc, Marc Missonnier; Kamera: Guillaume Schiffman; Schnitt: Julien Leloup; Länge: 113,13 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih der Wild Bunch Germany GmbH; deutscher Kinostart: 13. Februar 2014
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