02.03.2017
Have a Nice Day
"Ach", sagte die Maus, "die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe." – "Du mußt nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.
Regisseur Liu Jian eröffnet seinen Berlinale-2017-Wettbewerbsbeitrag "Einen schönen Tag noch"/"Have a Nice Day" zwar mit einem Tolstoi-Zitat, doch da könnte ebenso gut Kafkas Kleine Fabel stehen. Sinn- und Ausweglosigkeit bestimmen den chinesischen Trickfilm von den ersten Bildern an, wenn der studierte Landschaftsmaler Jian die zubetonierte Tristesse einer Stadt in Südchina zeigt. Die Handlung startet, als ein Baustellenfahrer einem Mafiaboss eine Tasche mit 1 Million Yen klaut, um die verunglückte Schönheitsoperation seiner Zukünftigen geradezubiegen. Mehrere Parteien jagen dem Geld hinterher, darunter ein Profikiller, eine Verkäuferin und ein Biker-Pärchen. Dass in dieser klassischen Noir-Gangsterstory keiner seinen Kopf aus der Schlinge bekommt, liegt schnell auf der Hand. In der 75-minütigen Abwärtsspirale besiegeln die Gierigen wie die Deppen aus den Filmen der Coen-Brüder ihr Schicksal. Einer schlägt mit dem Hammer gegen einen Blitzer, ein Stromschlag knockt ihn aus, bis ihm ein klappriger Hund ins Gesicht pinkelt. Die Welt geht zur Hölle, im Neuen China zählen nur Geld und Macht. Ein Arbeiter fragt sich, ob Gott oder Buddha stärker ist, denn er will an den Mächtigeren glauben. Sein Kumpel eröffnet ihm die drei Sphären der Freiheit: 1. der Gemüsemarkt, 2. der Supermarkt, 3. das Online-Shopping. Für mehr als das brennen die verkommenen Antihelden nicht – ihr physisches Ableben ist nur noch Formsache. Christian Horn /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Berlinale Filmdaten Have a Nice Day (Hao ji le) Filmtitel auf der 67. Berlinale 2017: Einen schönen Tag noch China 2017 Regie & Drehbuch: Liu Jian; Produzenten: Yang Cheng, Liu Jian; Musik: The Shanghai Restoration Project; Schnitt: Militia Xiao Liu; Länge: 75 Minuten; deutscher Kinostart: 7. Februar 2019 Ein Film im Wettbewerb der 67. Berlinale 2017
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