10.09.2016
Hermine Huntgeburth lässt Effi nicht sterben

Effi Briest (2009)


"Effi Briest", Theodor Fontanes bekanntester Roman, 1894 bis 1896 erschienen, handelt von unglücklicher Ehe und glücklicher, aber zweifach tödlicher Affäre. Fontane kritisierte in "Effi Briest" die Ehen aus Konvention zu seiner Zeit und warnt junge Frauen vor dem Fehler, nicht aus Liebe, sondern wegen Geld und Ansehen zu heiraten. Im Roman sind alle Sympathien des Dichters bei Effi, auch wenn sie am Ende tot ist. In der Verfilmung von 2009 lässt Regisseurin Hermine Huntgeburth die Heldin nicht sterben, sondern diese emanzipiert sich, als die Scheidung durch ist und auch das gemeinsame Kind an den Ex-Gatten verloren. Eine erfrischende Neuinterpretation von Fontane? Mitnichten. Das neue Ende kommt zu kurz, Huntgeburth fügt ein paar Sexszenen hinzu, die nicht zum konservativen Habitus des Films passen, und in der Liebe Effis zu Major Crampas pilchert es gewaltig. Man sehnt sich nach Rainer Werner Fassbinders Version des Stoffes zurück.

Effi stöhnt. Sie stöhnt, als das Jungfernhäutchen platzt. Aber eigentlich stöhnt sie, weil der Sex unangenehm ist. Der Zuschauer weiß es, Effi noch nicht in ihrem jungen Alter: Baron Geert von Innstetten (Sebastian Koch), ein Landrat mit beruflicher Perspektive, der so alt ist wie ihre Mutter, ist nicht der passende Mann, sie hätte ihn nicht heiraten dürfen. Die 17-jährige Effi (Julia Jentsch) wurde von ihrer Mutter (Juliane Köhler) überredet: Effi stehe mit dieser Ehe da, wo andere am Ende ihres Lebens nicht stehen.

Nach der Hochzeit verlässt Effi mit Geert das Elternhaus und zieht ins kleine Örtchen Kessin an der Ostsee. Sie fühlt sich dort nicht wohl, Alpträume quälen sie. Lichtblicke sind der Apotheker Alonzo Gieshübler (Rüdiger Vogler), der zu einem Vertrauten wird. Dann die neue Haushälterin Roswitha (Margarita Broich), die viel freundlicher ist als Geerts Haushälterin Johanna (Barbara Auer). Effi stellt sie deswegen ein. Und Major Crampas (Misel Maticevic). Geert warnt seine Frau, Crampas sei ein Frauenheld. Es kommt, wie es kommen muss.

Auch wenn die Darsteller hervorragend ausgewählt sind und der Film die Zeit kurz vor der Jahrhundertwende Fontane-gemäß wiedergibt, kann Regisseurin Hermine Huntgeburth dem Sujet nichts Neues abgewinnen. Auch durch das neue Ende nicht, das Effi überlebt. Es gerät zu kurz. Was wollte uns der Autor Fontane mit seinem Roman sagen? Unüberlegte Paarwerdung führt ins Unglück. Vor allem, wenn die Frau, die die Ehe eingeht, noch zu jung ist, um erfahren genug zu sein, den Fehler zu vermeiden. Fast ist die hervorragende Darstellerin Julia Jentsch zu alt für die Rolle. Fast. Der Film scheitert aber daran, dass er sich den Charakteren und ihren Bedürfnissen nicht genügend widmet; er nimmt seine Zuschauer nicht mit. Es stellt sich eine Gleichgültigkeit ein, man ist an den Figuren nicht sehr interessiert. Es liegt an einer Monotonie der Inszenierung. Anders die Gespräche von Effi und Crampas, aber in negativer Weise: Kitschige Sätze, die an Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen erinnern, bestimmen diese Szenen, in denen es dann sehr Fontane-ungemäß zum Nacktsein, zum Sex kommt. Gegen Letzteres ist nichts einzuwenden, Huntgeburth blickt aus dem 21. Jahrhundert auf den Jahrhundertwenden-Roman. Doch dies ist die einzige wirkliche Innovation. So weiß der Zuschauer nicht, was ihm Huntgeburth an Neuem mit auf den Weg zu geben beabsichtigt. Es fehlt der Esprit für eine eigene Interpretation. Der Film ist allenfalls wegen den Darstellern sehenswert, dem Sujet kann die Regisseurin nichts abgewinnen, das nicht schon in den vorangegangenen vier Verfilmungen – zum Beispiel bei Rainer Werner Fassbinder 1974 – aus dem Stoff herausgeholt worden wäre.

Die heutzutage vorhandene Ideenarmut für neue Stoffe führt in der Filmbranche zum Rückgriff auf Altes und Altbewährtes; nicht nur in Hollywood mit Remakes und Fortsetzungen – auch in Deutschland ist es der Fall. Dies muss nicht immer scheitern, aber wünschenswert ist, dass dann der Blick auf das neue Alte lohnt. Hermine Huntgeburths Effi lohnt nicht, nicht mal für diejenigen, die den Roman noch nicht kennen.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * (2 von 5) 
 

 

 
Filmdaten 
 
Effi Briest (2009)  
 
Deutschland 2009
Regie: Hermine Huntgeburth;
Darsteller: Julia Jentsch (Effi von Briest), Sebastian Koch (Geert von Instetten), Thomas Thieme (Herr von Briest), Juliane Köhler (Luise von Briest), Misel Maticevic (Major von Crampas), Mirko Lang (Dagobert von Briest), Barbara Auer (Johanna), Rüdiger Vogler (Gieshübler), Carina Wiese (Frau von Crampas), Hans-Jürgen Hürrig (Herr von Rasenapp), Sunnyi Melles (Sidonie von Rasenapp), Tatja Seibt (Frau von Rasenapp), Margarita Broich (Roswitha), Arndt Schwering-Sohnrey (Pauskas), André M. Hennicke (Wüllersdorf), Ludwig Blochberger (Nienkerken), Amber Bongard (Annie) u.a.;
Drehbuch: Volker Einrauch nach dem gleichnamigen Roman von Theodor Fontane; Produzent: Günter Rohrbach; Kamera: Martin Langer; Musik: Johan Söderqvist; Schnitt: Eva Schnare;

Länge: 118 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Constantin Film Verleih GmbH; deutscher Kinostart: 12. Februar 2009



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Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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