12.12.2009 (publiziert)
20.10.2006 (geschrieben)

Die sieben Schwerter

In einer Neuauflage von Akira Kurosawas "Die sieben Samurai" mischt Hongkong-Kultregisseur Tsui Hark atemberaubende Kampfszenen mit traumhaften Bildern, lässt dabei aber jede narrative Dynamik vermissen.

Mitte des 17. Jahrhunderts beginnt in China eine neue Ära – die Qing-Dynastie der Mandschu. Um ihre neu gewonnene Macht zu sichern, erlässt die Regierung ein weitreichendes Verbot jeglicher Kampfkünste. Die angedrohten Strafen sind drakonisch und geben den nun ausschwärmenden Kopfgeldjägern des Generals Feng (Sun Honglei) das Recht zu zahlreichen blutrünstigen Massakern. Da ihnen jeder abgeschlagene Kopf bares Geld einbringt, fallen den Häschern dabei zunehmend auch unschuldige Frauen und Kinder zum Opfer. Als sich Fengs Armee einem kleinen Dorf an der nordwestlichen Grenze nähert, unternimmt der reumütige Regierungsbeamte Fu Quingzhu (Lau Kar-Leung) den gefährlichen Versuch, die Dorfbewohner zu warnen. Gemeinsam mit dem einheimischen Pferdezüchter Wu Yuanyin (Charlie Young) und der jungen Han Zhibang (Lu Yi) macht er sich auf den Weg ins entlegene Tian-Gebirge, um dort Hilfe bei Hui Ming (Ma Jingwu) zu suchen, einem alten Schwertmeister, der mit einer Handvoll tapferer Schüler in weltabgewandter Abgeschiedenheit lebt. Nach einer entbehrungsreichen Reise gelingt es der Gesandtschaft, Hui von ihrem Anliegen zu überzeugen. Gemeinsam mit den Schwertkämpfern Chu Zhaonan (Donnie Yen), Yang Yunchong (Leon Lai), Mulang (Duncan Chow) und Xin Longzi (Tai Li Wu) kehren die drei in Dorf zurück – und mit ihnen die sagenumwobenen sieben Schwerter, die Fengs Armee das Fürchten lehren sollen. Schon bald beginnt ein erbitterter Kampf zwischen den beiden Lagern, bei dem auch persönliche Motive wie Liebe, Hass und Habgier eine entscheidende Rolle spielen...

Spätestens seit dem weltweiten Erfolg von Ang Lees "Tiger und Dragon" im Jahre 2000 erfreut sich der fernöstliche Martial-Arts-Film (in China unter der Bezeichnung "Wuxia" bekannt) einer ungeheuren Popularität. Filme wie "Hero" (2002) oder "House of Flying Daggers" (2004) sorgen seitdem regelmäßig für volle Kino-Säle und begeisterte Kritikerstimmen – und ein Ende des Booms scheint noch lange nicht abzusehen. Grund genug also für Hongkongs Vorzeige-Regisseur Tsui Hark ("Die Todesgrotten der Shaolin", 1979), mit "Chat gim" – so der Originaltitel von "Die sieben Schwerter" – eine weitere atemberaubende Geschichte aus Chinas reichhaltigem Mythenrepertoire auf die Leinwand zu bannen.

Als Grundlage diente diesmal ein wahrer Klassiker der Wuxia-Literatur, nämlich Yusheng Liangs Roman "Seven Swordsmen from Mountain Tian" aus den siebziger Jahren. "Das Buch", erklärt Regisseur Tsui Hark, "unterscheidet sich sehr von der herkömmlichen Wuxia-Literatur. Die Geschichte dreht sich hauptsächlich um Schwerter – wie man ein Schwert anfertigen muss, damit es seine spezifischen Eigenschaften erhält, wie die Beziehung zum Schwertkämpfer und dessen Disziplin die Stärke eines Schwertes verändern kann, welche Auswirkungen das Schwert auf den Kämpfer zu verschiedenen Zeiten hat. Das alles wurde bisher in noch keinem anderen Film zufriedenstellend erforscht und meiner Ansicht nach veranschaulicht gerade dieser Aspekt die Seele des Wuxia-Genres am besten."

Obgleich Liang-shengs Romanvorlage erst vor circa dreißig Jahren erschien, reichen die filmhistorischen Wurzeln von Tsui Harks Film bis in die fünfziger Jahre zurück. Damals drehte Akira Kurosawa im benachbarten Japan den Film "Die sieben Samurai" und kreierte damit den Urtypus der seither oft kopierten Helden-Story: Schon bei Kurosawa bitten die Bewohner eines kleinen Bauerndorfes sieben kampferprobte Schwertkämpfer um Schutz vor den regelmäßigen Überfallen schwer bewaffneter Banditen, schon hier erscheinen die Helden als bunt gemischtes Ensemble einzelner Figurentypen mit vollkommen unterschiedlichen Motiven. Der Erfolg von Kurosawas Film blieb auch Hollywood nicht verborgen und sechs Jahre später legte Regisseur John Sturges mit "Die glorreichen Sieben" eine Neuauflage des Stoffes im Westernmetier vor, dem bis heute drei Fortsetzungen und eine eigene TV-Serie folgten. Als letztes sprangen auch europäische Filmemacher auf den Erfolgszug auf, so vor allem die Regisseure der italienischen Spaghetti-Western, die bei ihrer Suche nach spannenden Geschichten gleich mehrfach bei Kurosawa fündig wurden (So inszenierte Sergio Leone beispielsweise mit "Eine Handvoll Dollar" ein Remake von "Yojimbo – Der Leibwächter" aus dem Jahr 1960).

"Die sieben Schwerter" ist ein Film der Oberflächenreize: Unterlegt von einem herrlich stimmungsvollen Klangteppich schwelgt er über beinahe zweieinhalb Stunden hinweg in grandios komponierten Bildern, großen Emotionen und berauschenden Kampfspektakeln. Dafür bleibt er aber auf inhaltlicher und psychologischer Ebene leider ärgerlich flach und eindimensional, was umso unverständlicher ist, als der Regisseur für die Hauptrollen die erste Garde fernöstlicher Filmstars gewinnen konnte. Hauptdarsteller Donnie Yen dürfte dem Publikum vor allen durch seine Auftritte in Zhang Yimous Epos "Hero" und Guillermo del Toros Horrorfilm "Blade 2" (2002) bekannt sein, während Schauspielerin Charlie Young kürzlich in Jackie Chans "New Police Story" (2004) zu sehen war.

Für seine herausragende Action-Choreographie wurde "Die sieben Schwerter" 2005 mit dem "Golden Horse Award" ausgezeichnet. Freilich kann auch das kunstvollste Gemetzel die allzu schablonenhafte Story dauerhaft nicht vergessen machen: Der quälend langatmige Film schürt ermüdenden Überdruss.  

Christian Heger / Wertung: * * (2 von 5)



Filmdaten

Die sieben Schwerter
(Chat gim)

Südkorea / Hongkong / China 2005
Regie: Tsui Hark; Drehbuch: Chi-Sing Cheung, Tin Nam Chun, Tsui Hark nach dem Roman "Seven Swordsmen from Mountain Tian" von Yusheng Liang; Kamera: Kwok-Man Keung; Musik: Kenji Kawai;
Darsteller: Donnie Yen (Chu Zhao Nan), Leon Lai (Yang Yun Chong), Charlie Yeung (Wu Yuan Yin), Liwu Dai (Xin Long Zi), Chia-Liang Liu (Fu Qing Ju), Duncan Chow (Mulang), Yi Lu (Han Zhi Ban), Jingwu Ma (Master), Jason Pai Piao (Liu Jingyi) u.a.

Länge: 153 Minuten; FSK: ab 16 Jahren



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