29.09.2016
Die Reise mit Vater
![]() Nicolae Ceausescu, rumänisches Staatsoberhaupt bis 1989, vor allem als Tyrann und gnadenloser Unterdrücker des eigenen Volkes bekannt, genoss in den Sechzigern eine Anerkennung im Westen, die noch nicht im Bewusstsein der Weltgeschichte vorhanden ist. Als der tschechische Generalsekretär Alexander Dubcek eine Revolte gegen Unterdrückung auslöste, die später als Prager Frühling bekannt wurde, verurteilte Ceausescu das Einmarschieren der Sowjetpanzer öffentlich und erarbeitete sich damit das Ansehen des Westens – US-Präsident Nixon besuchte ihn, von der BRD erhielt er gar die Sonderstufe des Großkreuzes, Königin Elizabeth II verlieh ihm (zu ihrer Ehrenrettung, widerwillig) einen Ritterorden, IWF und Weltbank nahmen Rumänien auf. Zu einer Zeit, als schon lange das System des Denunziantentums und der Securitate in Rumänien aufgebaut war und ihr unheilvolles Unwesen trieb.
Der verantwortungsvolle und aufopfernde junge Arzt Mihai lebt ein Leben im Selbstvorwurf und duckt sich, versucht, durch scheinheilige Mitarbeit bei der Geheimpolizei seiner Familie Vorteile zu verschaffen, die Gesundheit des Vaters und die Zukunft des jüngeren Bruders zu schützen. Letzterer ist gefährlich aufsässig und damit stellvertretend das moralische Gewissen des Films, der rumänischen Gesellschaft schlechthin. Und hier bereits merkt man eine weitere Schwäche des Films – die Brüder sind wahrscheinlich zwei Charakterseiten eines realen Menschen. Dadurch wirken sie auch wie zwei unvollkommene und einseitige Menschen im Film. Während der Film den inneren Kampf Mihais durch Hochs und Tiefs begleitet, lässt er ihn am Ende im Stich. Wo man eigentlich einen gebrochenen Mihai vorfinden müsste, bleibt er, trotz aller Unwägsamkeiten, die ihm begegnet waren, unverändert. Nur der jüngere Bruder hat eine Veränderung durchgemacht, die aber leider zum Schluss schauspielerisch schwach dargestellt wird.
Hilde Ottschofski /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Movienet Film Filmdaten Die Reise mit Vater (Die Reise mit Vater / La Drum Cu Tata) Rumänien/Deutschland/Ungarn/Schweden 2016 Regie & Drehbuch: Anca Miruna Lazarescu; Darsteller: Alexandru Margineanu (Mihai Reinholtz), Razvan Enciu (Emil Reinholtz), Ovidiu Schumacher (William Reinholtz), Susanne Bormann (Ulrike von Syberg), Manuel Klein (Hans-Uwe Janson), Doru Ana (Securitate-Offizier Juganar), Marcela Nistor (Neli), Lutz Blochberger (Hauptmann Heinrichs), Ana Ularu (Dr. Sanda Berceanu), Florin Galan (Catalin) u.a.; Produzentin: Verona Meier; Produktion: Filmallee GmbH; Kamera: Christian Stangassinger; Musik: Ferenc Darvas; Schnitt: Dan Olteanu, Hansjörg Weissbrich; Länge: 111,01 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Movienet Film/24 Bilder; deutscher Kinostart: 17. November 2016
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