10.12.2018
Dichtung vs. Wahrheit

Die Poesie der Liebe


Die Poesie der Liebe: Filmplakat Sie will ihn. Er will sie auch, weiß es aber lange nicht. Sie kommen zusammen, lieben sich, hassen sich, trennen sich, kommen wieder zusammen. Bis der Tod sie scheidet, ein Tod, der ein Mord sein wird, ein Mord aus Liebe, so viel lässt sich verraten. Zuvor gibt es in ihrer Beziehung einiges an sadomasochistischem Verhalten.
Der französische Film "Die Poesie der Liebe" ist absolut französisch, er dreht sich komplett um ein Paar und seine Gefühle füreinander und steht damit in der Tradition von Filmen wie "Eine pornografische Beziehung", "Romance" oder "Intimacy", um nur Filme der letzten 20 Jahre zu nennen. "Die Poesie der Liebe" ist episch angelegt: Von 1971 bis in die Gegenwart begleitet der Zuschauer die Adelmans. Das Beste am Film sind die Maskenbildner, denn beide Hauptdarsteller altern perfekt. Nicht ganz perfekt ist der überlange, das Kinopublikum quälende Film, so, wie sich die Protagonisten gegenseitig oft quälen.

Dass der Regisseur und die Drehbuchautoren von "Die Poesie der Liebe" liebevoll mit den beiden Hauptdarstellern umgingen, davon kann man zweifelsfrei ausgehen: Sie sind mit Nicolas Bedos und Doria Tillier dieselben Personen. Bedos führte Regie und schrieb mit Tillier das Drehbuch, er spielt im Film Victor de Richemont, sie Sarah Adelman. Zusammen sind sie die Adelmans, denn der zunächst erfolglose Schriftsteller wird den jüdischen Nachnamen Sarahs übernehmen, in der Ehe wie als Pseudonym für seine Dichter-Tätigkeit. Diese wird dank seiner Muse, seiner Ehefrau erfolgreich, erfolgreich wie später nicht mehr so erfolgreich, die Karriere wird wie ihre Ehe ablaufen: mit Höhen und Tiefen. Und was für Höhen und Tiefen! Beim Sex fängt es an: Er zerquetscht dabei ihr Gesicht. Viel später wird er ihr einen bezahlten Sex-Arbeiter zur Verfügung stellen, um sie zu demütigen. Dies sind nur einige wenige Extrembeispiele für den Verhaltens-Sadomasochismus, der sie aneinander kettet.

Die Poesie der Liebe: Nicolas Bedos, Doria Tillier Um die Partnerschaftsstory haben Bedos und Tillier eine Rahmenhandlung gebastelt: Victor ist tot, ein junger Journalist (Antoine Gouy) plant eine Biografie über ihn und stört die Trauerfeier, was die in Würde gealterte Sarah freut: Sie berichtet lieber aus ihrem Leben mit Victor, dem Prix-Goncourt-Dichter, als sich um die verlogenen Trauergäste zu kümmern. Am Schluss, stellt sich heraus, wird ihre ausführliche Erzählung über den Haufen geworfen. Sie wird mehrfach gelogen haben, mehrfach für Dichtung anstelle der Wahrheit gesorgt haben. Diese Idee ist zu kritisieren: Die Filmautoren hintergehen den Zuschauer. Aber mehr noch hat ein Geschmäckle: Die knapp zwei Stunden Filmlänge über erlebt das Publikum den Sadomasochismus mit, den sich die beiden Ehe-Duellanten liefern. Wer sich im Kino gerne quälen lässt, ist in diesem zu lang geratenen Spielfilm genau richtig. Es lässt sich von diesem Film aber nicht per se abraten: Die Darsteller sind großartig. Wenn Schauspieler auch für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnen, sind sie in der Lage, sich selbst gut in Szene zu setzen. Hier gelingt dies. Beide gehen sämtliche Facetten einer Beziehung durch, die auch vor Extremen nicht halt macht. Nur muss man als Zuschauer des Films diese Quälereien akzeptieren, ja goutieren können. Wer dies nicht kann, sollte "Die Poesie der Liebe" meiden.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: temperclayfilm

 
Filmdaten 
 
Die Poesie der Liebe (Monsieur et Madame Adelman) 
 
Frankreich/Belgien 2017
Regie: Nicolas Bedos;
Darsteller: Nicolas Bedos (Victor Adelman), Doria Tillier (Sarah Adelman), Denis Podalydès (der Psychologe), Antoine Gouy (der Journalist), Christiane Millet (Sylvie de Richemont), Pierre Arditi (Claude de Richemont), Betty Reicher (Madame Adelman, Sarahs Mutter), Ronald Guttman (Monsieur Adelman, Sarahs Vater) u.a.;
Drehbuch: Nicolas Bedos, Doria Tillier; Produktion: Les Films du Kiosque, France 2 Cinéma, Orange Studio; Produzenten: François Kraus, Denis Pineau-Valencienne; Kamera: Nicolas Bolduc; Musik: Philippe Kelly, Nicolas Bedos; Schnitt: Anny Danchè, Marie Silvi;

Länge: 120,21 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von temperclayfilm; deutscher Kinostart: 20. Dezember 2018



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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