21.10.2009
Und führe uns nicht in Versuchung...

Die Päpstin


Die Päpstin: Johanna Wokalek als Johanna von Ingelheim Bereits als kleines Mädchen zeigt Johanna reges Interesse an Bildung. Sie möchte mit ihren Brüdern zusammen die Bibel studieren, doch ihrem Vater zufolge ist dies Frevel. Der Priester und häusliche Tyrann unterdrückt seine Frau und Tochter, wie es zu der damaligen Zeit üblich war: Eine Frau, die lesen und schreiben kann sei eine Schande in den Augen Gottes. Ihre Liebe zu Gott und ihr Wissensdurst treiben Johanna aus dem Elternhaus, nachdem der Vater ihr untersagte, der Einladung zur Ausbildung an der Dornstädter Scola zu folgen.
Schon bald lernt sie, dass ihr Leben sich leichter gestaltet, wenn sie es als Mann führt. Sie schneidet sich die Haare ab, bindet sich die Brust mit einem straff gewickelten Tuch ab und tritt alsbald in ein Kloster ein, in dem sie sich der Heilkunst widmet. Einige schicksalhafte Schritte weiter landet sie im Zuge einer Pilgerreise in Rom und wird zum Leibarzt des Papstes. Als dieser das Zeitliche segnet, wird sie selbst zum Papst geweiht.

Die Päpstin: FilmplakatDie Verfilmung von Donna Woolfolk Cross' Roman sollte ursprünglich unter Volker Schlöndorffs Regie entstehen, doch trat dieser kurz vor Drehbeginn in ein planungstechnisches Fettnäpfchen. So bemängelte er in einem Gastbeitrag in der "Süddeutschen Zeitung" den so genannten amphibischen Film, ein Produkt, das in gekürzter Fassung im Kino und wenige Monate später mit mehr Laufzeit im Fernsehen einzusetzen ist. Filme wie "Der Untergang" und "Der Baader-Meinhof-Komplex" fallen für ihn unter diese Kategorie. Das ausbleibende Extrabudget für die längere TV-Version führe zu unsauberer und schlampiger Arbeit. Schlöndorff, der für eine Trennung von Film und Fernsehen plädiert, trat damit auf ein paar Füße zu viel im Hause Constantin und verlor das Projekt, an dem er bereits seit acht Jahren gearbeitet haben soll, an einen anderen Regisseur, denn genau so ein Amphibienfilm soll "Die Päpstin" werden. [1]

Die Legende der Päpstin Johanna wurde nun von Sönke Wortmann ("Deutschland. Ein Sommermärchen", "Das Wunder von Bern") aufwändig und mit großer Besetzung (u.a. Johanna Wokalek, John Goodman, David Wenham, Iain Glen) in Szene gesetzt. Über 148 Minuten erzählt er die teils ergreifende und teils haarsträubende Geschichte einer wissbegierigen, gottesfürchtigen jungen Frau. Kirchliche Verschwörungstheorien sind ja seit "The Da Vinci Code - Sakrileg" (Regie: Ron Howard, 2006) angesagt, weswegen dieses Projekt sich redlich Mühe geben musste, um sich dort einzureihen. "Die Päpstin" als deutscher Historienfilm mit einem großen Budget, der sich internationaler Darsteller bedient und auch vor sorgfältigen CGIs des alten Roms nicht zurückschreckt: Das klingt vielversprechend. Während die Kulissen tatsächlich mittelalterlich anmuten mit ihrer staubigen, abgenutzten Erscheinung, wirken die Figuren stellenweise etwas zu modern. Der emanzipierte und scheinbar religionsfreie Graf Gerold, den man heutzutage vielleicht sogar böse als "Frauenversteher" titulieren würde, will einfach nicht ins Mittelalter passen. Da der Film in englischer Sprache gedreht wurde, durften sich die deutschen Darsteller selbst synchronisieren, wodurch erstaunlich viel Überzeugungskraft verloren ging. Stellenweise wirkte das Schauspiel durch eben diese Synchronisation leicht hölzern. Selbst ein Millionenbudget kann an dieser Stelle nichts bewirken.

Die Päpstin: Johanna (Johanna Wokalek) muss sich zwischen ihrer Berufung und ihrer Liebe zu Gerold (David Wenham) entscheiden.Überflüssig erschien die Betonung auf das heteronormative Gefühlsleben der Johanna: ihre tiefe Liebe zu Graf Gerold, dessen Imago sie nie verlässt und den sie schicksalhaft (wie alle ihre Begegnungen und Erlebnisse) in Rom als Soldat des Kaisers Lothar wieder trifft. Zwiegespalten zwischen der religiösen Askese, der Hingabe zu Gott und dem Ausblick auf ein beschauliches Eheleben mit Gerold gibt sie sich ihm hin und wird einige Zeit später sogar schwanger. Obgleich sie sich gegen zahlreiche Rivalen durchsetzen und für das weibliche Recht auf Bildung versuchte zu kämpfen, obschon sie als Dorn im Auge des katholischen Patriarchats aus den Geschichtsbüchern gelöscht worden sein soll, betont der Film dennoch ihre quasi naturgemäßen weiblichen Bedürfnisse. Das kann man positiv sehen und annehmen, der Film plädiere dafür, dass geschlechtliche Liebe und religiöse Hingabe sich nicht gegenseitig ausschließen müssen; böse Zungen könnten auch behaupten, dass diese Persistenz stets die "Normalität" dieser sich verkleidenden Frau betone.

Hiervon sollte sich der durchschnittliche Kinozuschauer allerdings nicht sofort abschrecken lassen. Der Film ist durchaus unterhaltsam, wenn auch nicht hundertprozentig historisch korrekt. Man erkennt die Mühe, die investiert wurde und kann sich fast zweieinhalb Stunden von der Borniertheit und auch Unsinnigkeit des Patriarchats überzeugen lassen. Allerdings bleibt die Frage bestehen, ob man sich den Film überhaupt im Kino ansehen muss, wenn er ohnehin bald im Fernsehen in einer längeren Fassung zu sehen sein wird.

Online-Quellenverweise (Stand 21.10.2009)

[1] http://www.welt.de/kultur/article1047655/Constantin_kuendigt_Vertrag_mit_Schloendorff.html  

Jana Toppe / Wertung: * * (2 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Constantin Film

 
Filmdaten 
 
Die Päpstin   
 
Deutschland / Großbritannien / Italien / Spanien 2009
Titel für den englischsprachigen Markt: Pope Joan
Regie: Sönke Wortmann;
Darsteller: Johanna Wokalek (Johanna von Ingelheim), David Wenham (Gerold), John Goodman (Sergius), Iain Glen (Dorfpriester), Anatole Taubman (Anastasius), Lotte Flack (Johanna im Alter von 10 bis 14 Jahren), Gerald Alexander Held (Lothar), Claudia Michelsen (Richilde), Jördis Triebel, Christian Redl u.a.; Drehbuch: Heinrich Hadding nach dem gleichnamigen Roman von Donna Woolfolk Cross; Produktion: Oliver Berben, Martin Moszkowicz; Co-Produktion: Faruk Alatan, Doris J. Heinze, Edmon Roch, Norbert Sauer, Herman Weigel; Kamera: Tom Fährmann; Musik: Marcel Barsotti; Länge: 148 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Constantin Film; deutscher Kinostart: 22. Oktober 2009



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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