14.04.2012
Die Liebenden - von der Last, glücklich zu sein
![]() Lebens- und Liebesthemen, oder auch die individuellen Lebenslügen werden unter Freunden entweder in luxuriösen Pariser Wohnungen, siehe "Affären à la carte" oder wie in "Kleine wahre Lügen" ausdiskutiert. Rohmer, Sautet, Téchiné, Truffaut, Rivette, Malle, Ozon, sie allesamt entfalten wunderbare, träumerische bisweilen beängstigende wie trügerische Entwürfe der Liebe, und bei Chabrol scheitern die Liebeskonzepte nicht selten an einem ausgetüftelten Mordkomplott. Und sogar der Avantgardist, der Meister sui generis, Godard, spricht zumindest in seinen früheren Werken über die Liebe, die wie in "Elf Uhr Mittags" wundersame wiewohl absurde Wege geht. Honorés Film fehlt nicht nur jener juvenile Charme, der bei seinem gewollten Genre, nämlich einem Musical-Melodram unabdingbar ist, er verhebt sich auch inhaltlich kräftig, da seine Story nicht nur unheilvoll redundant, sondern allzu geflissentlich und schlussendlich überdramatisiert daherkommt. Lumpen lässt sich der Filmemacher nicht bei der Auswahl seiner Darsteller: Catherine Deneuve, Ludivine Sagnier, Chiara Mastroianni auf der weiblichen Seite, Louis Garrel, Milos Forman, Paul Schneider und Michel Delpech auf der männlichen Seite. Sie geben zweifelsohne alle ein formidables Spiel, verkörpern ihre Rolle mit einer Nonchalance wie es von Profis nicht anders zu erwarten ist.
Nach Jahren der Abwesenheit taucht Jaromil wieder in Madeleines Leben auf, die nunmehr bürgerlich verheiratet ist. Die neue Liebe entflammt, kann aber so richtig nicht gelebt werden. Alle sitzen zwischen den Stühlen, wo man bekanntermaßen am Tiefsten sitzt. Véra, die aus dieser Beziehung entstandene Tochter ist latent depressiv, kann nicht leben, geschweige denn an einem Ort glücklich werden. Sie verliebt sich zu allem Überfluss nicht nur in einen Homosexuellen, sondern möchte auch noch ein Kind von ihm. Ganz nebenbei ist der Mann auch noch an Aids erkrankt, was der Geschichte noch einmal mehr Konfliktpotential verleihen soll. Mutter und Tochter sind gezeichnet von den Irrungen und Wirrungen der Liebe und lavieren sich durchs Leben.
Unerfüllte Liebe, Leerstellen im Leben, die Unmöglichkeit der Liebe, enttäuschte Liebe, Liebe in Zeiten politischer Umwälzungen, Betrug und Untreue, Depression, Homosexualität, Aids, 9/11, Suizid. Das ist das Potpourri aus denen der Regisseur einen Film gemacht hat, der nach 90 Minuten seine Quintessenzen schon reichlich und über Gebühr ausgezählt hat. Seine Tragik und dramatischen Ereignisse stehen in einem kraft- wie sinnlosen Gegensatz zu seinem albernen Märchengestus. Christophe Honoré aber wiederholt sich am laufenden Band, dehnt sein Märchen mittels spießiger Musical- und Gesangseinlagen, die sich mit melodramatischen Versatzstücken und einer Möchtegern-Welterkenntis abwechseln, und verpasst die besten Stellen, wo sein Film schon längt hätte enden müssen. Ein Film ist immer ein Ausschnitt aus einem großen Ganzen, im besten Fall fantastisch erzählt, es ist ein überschaubarer slice of life. Honoré aber liefert eine Operette bester Klasse. Sven Weidner /
Wertung: *
(1 von 5)
Quelle der Fotos: Senator Filmdaten Die Liebenden - von der Last, glücklich zu sein (Les bien-aimés) Frankreich / GB / Tschechien 2011 Regie & Drehbuch: Christophe Honoré; Darsteller: Catherine Deneuve (Madeleine), Ludivine Sagnier (Madeleine, jung), Milos Forman (Jaromil), Chiara Mastroianni (Véra), Louis Garrel (Clément), Paul Schneider (Henderson), Radivoje Bukvic (Jaromil, jung), Goldy Notay (Nandita), Kenneth Collard (Adam) u.a.; Kamera: Rémy Chevrin; Musik: Alex Beaupain; Schnitt: Chantal Hymans; Länge: 139,03 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Senator Film Verleih GmbH; deutscher Kinostart: 3. Mai 2012
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