06.06.2023

Die fantastische Welt von Oz

In Victor Flemings Musicalklassiker "Der Zauberer von Oz" (USA, 1939) gibt es gleich am Anfang einen magischen Kinomoment, der Filmgeschichte schrieb: Dorothy (Judy Garland) öffnet die Tür des Häuschens, das ein Wirbelsturm von Kansas ins Zauberland Oz gefegt hat, und kräftige Technicolor-Farben ersetzen die Sepia-Aufnahmen von der Exposition in Kansas. Für das damalige Publikum, das bunte Bilder auf der Leinwand allenfalls von "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1937) kannte, war dies ein überwältigender Moment.

In "Die fantastische Welt von Oz" setzt Sam Raimi dieser Szene ein Denkmal, das weit mehr als ein Zitat ist: Den Auftakt in einem Wanderzirkus zeigt der Filmemacher in Schwarzweiß-Bildern mit kleinerem Bildformat, einer Mono-Tonspur und abgemildertem 3D-Effekt. Erst wenn es den Fake-Zauberer Oscar Diggs (James Franco) nach Oz verschlägt, entfaltet der liebevoll gestaltete Fantasyfilm seine ganze Magie. Die Schauwerte und insbesondere der gelungene 3D-Effekt haben hier wie in Martin Scorseses Kino-Hommage "Hugo" nicht nur einen rein visuellen, sondern auch einen erzählerischen und dramaturgischen Mehrwert – eine reflektierte Anwendung der modernen Filmtechnik, die "Avatar" oder "The Avengers" allenfalls in Ansätzen bieten.

Mit seiner Vorgeschichte zu Frank L. Baums gleichnamigem Kinderbuch liefert Sam Raimi ("Spider Man 1-3") einen wunderbar inszenierten und fantasievoll ausgestatteten Kinofilm, der im positiven Sinne an eine Märchenerzählung erinnert: Von einem Goldschatz überwältigt, spielt Oscar für die Hilfe suchenden Bewohner von Oz den Zauberer, der laut Prophezeiung die vermeintlich böse Hexe Glinda (Michelle Williams) besiegen soll. Bald kommt jedoch heraus, dass Evanora (Rachel Weisz) und deren Schwester Theodora (Mila Kunis) die wahren Gegnerinnen sind. Während des Abenteuers wächst Oscar über sich hinaus, bis er letztlich kein Hochstapler mehr ist, sondern ein wahrer Zauberkünstler – ganz so wie Sam Raimi, der Frank L. Baum und Victor Fleming gerecht bleibt und gleichzeitig seine eigene Handschrift als Regisseur in diesen sehenswerten wie modernen 3D-Blockbuster transferiert.



Diese Filmkritik ist zuerst erschienen bei fluter.de.

 

Christian Horn / Wertung: * * * * * (5 von 5)



Filmdaten

Die fantastische Welt von Oz
(Oz the Great and Powerful)

USA 2013
Regie: Sam Raimi;
Darsteller: James Franco (Oz), Mila Kunis (Theodora / Hexe), Rachel Weisz (Evanora), Michelle Williams (Annie / Glinda), Zach Braff (Frank / Finley), Abigail Spencer (May), Gene Jones u.a.;
Drehbuch: Mitchell Kapner, David Lindsay-Abaire; Produzent: Joe Roth; Kamera: Peter Deming; Musik: Danny Elfman; Schnitt: Bob Murawski;

Länge: 130 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; deutscher Kinostart: 7. März 2013



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"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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