12.12.2014
Vage Annäherung

Die Böhms
– Architektur einer Familie


Die Böhms - Architektur einer Familie: Paul Böhm, Gottfried Böhm Bekannte Familienclans, deren Mitglieder über mehrere Generationen hinweg noch am Leben sind, bieten ein enormes dokumentarisches Potential. Sind die Familienmitglieder bereit und imstande Rede und Antwort zu stehen, können sie mittels ihrer facettenreichen ureigenen Geschichte und ihrer jeweiligen Position innerhalb des familiären Gefüges nicht nur vielschichtige Einblicke in die oftmals ambivalenten Familienstrukturen liefern: Ihre Berichte, Erzählungen, ihre Statements und Einschätzungen wie Urteile sind immer ein Stück Kultur- und Zeitgeschichte. Es sind gesellschaftspolitische wie historische Dokumente, die helfen Zusammenhänge besser deuten, besser einordnen zu können. Zumal, wenn die Protagonisten aus der Distanz heraus mit ihrer eigenen Geschichte, deren Wirken und Wirkung uneitel umzugehen wissen.

Die Böhms - Architektur einer Familie Der Dokumentarfilmer Maurizius Staerkle-Drux begleitet die bekannte Kölner Architektenfamilie Böhm über zwei Jahre lang. Eine Familie, die sich über Generationen hinweg mit Leib und Seele, mit viel Enthusiasmus, aber auch mit einigen Entbehrungen, wie im Fall von Elisabeth Böhm, der Frau des Familienoberhaupts, der Architektur verschrieben haben. In vielen Interviews sprechen die drei Söhne Paul, Peter und Stephan über ihre Familie, ihren Beruf und ihre Eltern. Und auch Gottfried Böhm, der sich mit viel Ruhe und Engagement um seine Frau kümmert, die, dement geworden, während der Dreharbeiten stirbt, kommt immer wieder zu Wort. Sein mit 94 Jahren nach wie vor vorhandener Arbeitseifer, seine Passion für die Architektur, aber auch die ungebrochene charismatische Präsenz, die im Umgang mit seinen Söhnen und anderen Verwandten ganz unvermittelt evident wird, zeichnen ihn aus, der immer noch sportlich-dynamisch in den hauseigenen Swimmingpool springt. Neben den Gesprächen, die meistens in der Villa der Familie stattfinden, begleitet der Filmemacher die Brüder oder den Vater bei ihren jeweiligen Projekten; dazwischengeschoben sind Aufnahmen der verschiedenen Gebäude – in erster Linie von Gottfried Böhm – die im Laufe seiner langen Karriere entstanden sind.

Die Böhms - Architektur einer Familie: Gottfried Böhm Oftmals werden in einem Still die Zeichnungen und Entwürfe gezeigt und dann das vollendete Projekt. Aufgesetzt gleichsam und fast grotesk mutet es an, wenn der Filmemacher bei der Vorstellung wuchtige klassische Musik als Underscore darunter legt. Das Kolossale, Mächtige, mithin auch Verspielte und Extraordinäre, das der Architektur von Böhm ohnehin innewohnt, bedarf keiner skalierten emotionalisierten Musikuntermalung. Aus den komplexen Binnenverhältnissen, zwischen den einzelnen Protagonisten, aber auch aus der Tatsache heraus, dass hier ein Jahrhundert interessante Zeitgeschichte vor uns liegt, miterlebt von Menschen wie den Böhms, die durch ihren künstlerischen wie intellektuellen Gestaltungswillen und Ideen, Orte und Städte mitkonzipieren wollten, hätte man mehr machen können ja müssen, als diese biedere Dokumentation. Zweifelsohne wird jenes verbindende Element, nämlich die Architektur, immer wieder thematisiert, und die Leidenschaft hierfür in den Fokus gerückt. Und zweifelsohne gibt es wenn auch sehr wenige Momente in denen es im wahrsten Sinne des Wortes menschelt, etwa wenn einer der Söhne durchaus wehmütig davon erzählt, wie die Mutter ihre eigene berufliche Zukunft und Perspektive schlussendlich für die Karriere ihres Mannes und in der Folge ihrer Sprösslinge schweren Herzens aufgegeben habe. Abgesehen davon bleiben aber alle auf großer Distanz, fast wie unnahbare 0815-Typen, die relativ unambitioniert einzelne Versatzstücke von ihrem Leben preisgeben. Keine spannungsvollen oder spannenden Momente, Ereignisse oder Erinnerungen werden zutage gefördert, geschweige denn kritisch rekurriert. Hochtrabend und erwartungsvoll nennt der Filmemacher seinen Film eine "Architektur" einer Familie. Man sollte etwas weniger dick aufgetragen und eher von einer betulichen, sanft hingeworfenen Bleistiftskizze sprechen, die allenfalls eine vage Annäherung an eine sicherlich interessante Familie bietet.  

Sven Weidner     
 

Quelle der Fotos: Raphael Beinder / Lichtblick Film / Real Fiction Filmverleih

 
Filmdaten 
 
Die Böhms - Architektur einer Familie  
 
Deutschland / Schweiz 2014
Regie & Drehbuch: Maurizius Staerkle-Drux;
Mitwirkende: Gottfried Böhm, Elisabeth Böhm geb. Haggenmüller, Peter Böhm, Paul Böhm, Stephan Böhm u.a.;
Produktion: Carl-Ludwig Rettinger, Lichtblick Film- und Fernsehproduktion; Kamera: Raphael Beinder; Schnitt: Anika Simon;

Länge: 87 Minuten; ein Film im Verleih von Real Fiction Filmverleih; deutscher Kinostart: 29. Januar 2015



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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