08.09.2013
Unsere Welt sind die Berge

Die Alpen
- Unsere Berge von oben


Die Alpen - Unsere Berge von oben "Es ist nicht der Berg, den wir bezwingen", steht es Weiß auf Schwarz auf der Leinwand. "Wir bezwingen uns selbst." Die erfahrenen Worte Sir Edmund Hillarys, dessen Mount-Everest-Aufstieg mit Tenzing Norgay sich heuer zum 50. Mal jährt, gelten auch für "Die Alpen". Sie bewältigte der berufsmäßige Gipfelstürmer schon als Kind. Zugegeben, es waren die neuseeländischen Alpen und nicht die filmischen Peter Bardehles. Der Zuschauer der Naturdoku gelangt an andere Grenzen, um das Dokumentarmassiv hinter sich zu bringen.

Eine ist die der eigenen Aufmerksamkeit während der in ihrem Herrlichkeitstenor und Höhenrausch erschlagenden 94 Minuten. So lange zeigen Bardehle, der 2012 mit "Die Nordsee von oben" 215.000 Zuschauer in die Kinos lockte, und Co-Regisseur Sebastian Lindemann "Unsere Berge von oben". Die Besitzergreifung übernimmt der Untertitel so selbstverständlich wie bei der an sieben Länder schwappenden Nordsee. Was die Doppelunterrichtsstunde Geographie nicht erklärt, ist, wer die Alpenbesitzer eigentlich sind. Die Deutschen, in deren Kinos die mit vaterlandsstolzem Lehrtext unterlegte Bergtour anlaufen wird? Die Franzosen, die mit dem Mont Blanc dem höchsten Gipfel seinen Namen gaben? Wobei die Frage wäre wem der Mont Blanc gehört. Italien, das die helikoptergetragene Kamera überfliegt, oder doch den dem hiesigen Zielpublikum, für das der geografische Name gleich eingedeutscht wird? Klar in Schweizerischer Hand ist die Nordwand, die ihren großen Kinoauftritt vor 5 Jahren hatte. Den gleichnamigen Spielfilm finanzierten, klar, die bergbegeisterten Deutschen und, okay, noch die Österreicher.

Die Alpen - Unsere Berge von oben 800.000 von ihnen stritten, wie man brav lernt, mit 900.000 Italienern schon einmal um einen Teil des Gebirges, was kurios anmutet, denn man hat selbst davon längst genug. Die Kampfzone des Ersten Weltkriegs trug einen Namen, der zu der hehren Inszenierung gepasst hätte: Gebirgsfront. Das klingt steinhart und unnachgiebig wie der geschwollene Tenor und die Landmassen, deren Aufeinanderprallen im doppelten Sinne am Anfang des Filmprojekts steht: "Es waren einmal zwei Kontinentalplatten, die kamen sich in die Quere", beginnt es aus dem Off märchenhaft. Die Soldaten, die sich dort später ebenfalls in die Quere kamen, wünschten sich wohl wie man selbst weit weg von kargen Kämmen und weißer Winterlandschaft. Aber eine traditionelle Bergexkursion dient nun mal nicht der Unterhaltung, verrät "Tatort"-Kommissar Udo Wachtveitl aus dem Off: "Früher wäre keiner zum Spaß in die Berge gegangen." Heute gehen viele nur zum Spaß: Touristen, die getreu dem Titel "von oben" herab betrachtet werden. Einerseits nerven ihre Ansprüche an naturnahe Unterhaltung, andererseits bringen sie Einnahmen. So ähnlich wie Kinozuschauer.

Die Alpen - Unsere Berge von oben Sie sehen moderne Skidomizile und modernen Hitzeschutz, der tauende Kuppen erhalten soll, und hören dann zum Gletschersterben lediglich die profane Frage: "Hat der Wintersport in den Alpen noch eine Zukunft?" Falls nein gäbe das wenigstens Stoff für den nächsten Naturfilm: "Unsere", oder besser: "Deren globale Erwärmung von oben". Unsere sind ja die euphorisierenden Berge: "Diese Gipfel machen glücklich!" Womöglich aus der Vogelperspektive von Klaus Stuhls Kamera, deren Prachtpanoramen der Belehrungston verdirbt: "Wohl dem, der hier Respekt und Demut lernt!" Das tut man angesichts der schieren Langatmigkeit des Landschaftsbilderbogens, der mit seiner großzügigen Erkenntnisarmut Raum zum Insichgehen gibt. "Berg macht den Kopf frei für das, was wirklich zählt im Leben." Sind das die Dinge, zu denen die Gedanken während der Erdkundelektion driften? Ötzi, Heidi, Dolomiti, die lila Milka-Kuh und der Bärenmarke-Bär, der dort oben mit seiner Alpenmilchkanne rumläuft...

Der Hintergrundkommentar vermutet in dem erschöpfenden Bergbesuch trotzdem einen höheren Sinn: "Es muss dort oben auf den Gipfeln etwas geben, für das sich auch die größte Mühe lohnt." Für das Regie-Duo waren es wohl die zu erwartenden Kasseneinnahmen.  

Lida Bach / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Alamode Film

 
Filmdaten 
 
Die Alpen - Unsere Berge von oben  
 
Deutschland 2013
Regie: Peter Bardehle, Sebastian Lindemann;
Sprecher: Udo Wachtveitl;
Produzent: Peter Bardehle; Kamera: Klaus Stuhl; Musik: Rich Dickerson, Luigi Meroni, Clemens Winterhalter; Schnitt: Roland Possehl;

Länge: 94 Minuten; ein Film im Verleih von Alamode Film; deutscher Kinostart: 12. September 2013



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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