10. Oktober 1998 / geringfügig überarbeitet
am 11. Februar 2000
Aufklärung schreckt ab
Der Soldat James Ryan
Wer zwischen unzähligen Steinkreuzen eines Soldatenfriedhofs
umherirrt, den beschleicht in der bedrückenden Ruhe eine dunkle
Ahnung. Doch eigentlich geht es einem Unbeteiligten wie der Familie
des Veteranen James Ryan, die fragend herbeieilt, als dieser vor einem
Kreuz zusammensackt. Die Kamera fährt ganz nah an das greise Gesicht
heran und zeigt deutlich die Bewegtheit des Mannes, dessen Geschichte
nun erzählt wird.
Von einem ruhigen Gräberfeld wird der Zuschauer mitten in den
ohrenbetäubenden Krieg gestürzt. Es geht um das Leben eines
einzigen Mannes. Captain Miller (Tom Hanks) hat den Befehl erhalten,
James Ryan zu suchen und nach Hause zu schicken, damit seine Mutter
nicht auch noch ihren vierten Sohn verliert. Die meisten Soldaten
verstehen nicht, warum sie ihr Leben riskieren sollten, nur um einzigen
zu retten. Auf der Suche nach Ryan begegnet der Trupp immer wieder
deutschen Soldaten, und es kommt zu brutalen Kämpfen.
"Der Soldat James Ryan" ist wieder einmal eine bewundernswerte
Leistung von Steven Spielberg, der alle Mittel geschickt einsetzt,
um die Zuschauer an den Krieg heranzuführen. Die Dolby-Surround-Technik
versetzt die Zuschauer mitten in den Kugelhagel und vor heranrollende
Panzer. Dabei hilft die exzellente Kameraführung: Man sieht
alles aus den Augen eines Kriegsfilmers. Die Bilder sind verwackelt,
zutiefst erschütternd, ohne irgendetwas zu beschönigen:
Männer, die ihren soeben abgetrennten Arm in der Hand halten;
Bäuche, aus denen Ströme Blut fließen; Soldaten,
die völlig verzweifelt sind und in Todesangst nach ihrer Mutter
rufen. Und als direkt vor dem Kameramann eine Granate einschlägt,
beflecken Blutspritzer die Linse.
Auf diese Weise versetzt Steven Spielberg die
Zuschauer so sehr in die Geschehnisse eines jeden Krieges hinein,
wie es überhaupt nur möglich ist. Warum sollen einem
Kinobesucher nicht Szenen gezeigt werden, die jedem wahrlich die
Sprache verschlagen, die aber wirklich so oder so ähnlich
geschehen sind und täglich noch geschehen? Aufklärung
schreckt ab! Nach nur drei Stunden versteht der Zuschauer die Welt
nicht mehr. Warum tun sich Menschen so etwas an? Aber als erfahrener,
(oder muß es heißen: amerikanischer?) Regisseur setzt
Spielberg sein Publikum nicht der reinen Grausamkeit aus. Während
die moderne Kinotechnik die Sicherheit der Zuschauer in den Sesseln
nahezu auflöst, wenn gekämpft wird, ist die Geschichte
eingebettet in das beruhigende, friedliche Grünweiß des
Soldatenfriedhofs. Trotzdem und obwohl Spielberg mit Patriotismus
wieder mal nicht spart, verdient dieser Film aufgrund seiner Vorzüge
die Höchstwertung!
Tobias Vetter
/ Wertung:
* * * * * (5 von 5)
Filmdaten
Der Soldat James Ryan
Saving Private Ryan
Regie: Steven Spielberg Buch: Robert Rodat Kamera: Janusz
Kaminski Musik: John Williams Schnitt: Michael Kahn Darsteller: Tom
Hanks (Captain Miller), Tom Sizemore (Sergeant Horvath), Edward Burns (Private
Reiben), Barry Pepper (Private Jackson), Adam Goldberg (Private Mellish), Vin
Diesel (Private Caparzo), Giovanni Ribisi (Medic Wade), Jeremy Davies (Corporal
Upham), Matt Damon (Private Ryan), Ted Danson (Captain Hamill),
Paul Giamatti (Sergeant Hill),
Dennis Farina (Lieutenant Colonel Anderson) u.a.