01.07.2015
Der Papst ist kein Jeansboy
![]() Swobodnik wirft keinen Blick zurück auf alte Zeiten. Er zeigt die unschöne Gegenwart von 2011, den Verfall eines Menschen. Der Zuschauer, der Phettberg nicht kennt, ist in diesem Film nicht gut aufgehoben. "Frucade oder Eierlikör?" Mit der Frage nach dem für das Gespräch gewünschten Getränk begrüßte Hermes Phettberg jeden Gast in seiner Talksendung "Phettbergs Nette Leit Show". In ihr zeigte Phettberg, dass er als Talkmaster in seiner unkonventionellen Art genial war. Einmal erweiterte Phettberg seine Einstiegsfrage um eine weitere Frage: "Homo oder Hetero?" Da war Schauspieler Tobias Moretti zu Gast. Denn Phettberg ist bekennender Homosexueller und Sadomasochist. In jeder der 25 produzierten Sendungen ging es nicht nur um die Person des Eingeladenen und den mit ihm geführten Talk. Jede Sendung nutzte Phettberg auch, um auf seine sexuellen Vorlieben hinzuweisen.
Der ganze Film ist in schwarz-weiß gedreht. Regisseur Sobo Swobodnik demonstriert damit Respekt vor den Leiden, aber auch vor der Widerstandsfähigkeit Phettbergs. Zwischen die Bilder schneidet Swobodnik immer wieder Inserts, Inschriften aus öffentlichen Wiener Toiletten: Mann sucht Mann. Die Formulierungen erinnern den Zuschauer daran, was Phettberg nicht mehr oder höchstens selten selber miterleben kann, Zuneigung, Liebe, Sex. Glück in der Zweisamkeit. Swobodnik lässt die wenigen Freunde zu Wort kommen, die Phettberg noch hat, darunter Kurt Palm, den Initiator der "Nette Leit Show". Eine besonders bittere Episode: Einer der Freunde berichtet über ein Gespräch Phettbergs mit Christoph Schlingensief. Der sagte, sie seien beide bald nicht mehr da. Phettberg ist noch da, Schlingensief nicht, er starb an Krebs.
Der Film, Ende 2011 gedreht, kommt jetzt in die deutschen Kinos, nachdem er 2012 beim Filmfestival Max Ophüls Preis mit dem Preis als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet worden war und bei weiteren Festivals Interesse weckte. Für Hermes Phettberg brachte der Film noch ein besonderes Erlebnis. Am 16. Juni 2015 luden Verleiher W-film und Regisseur Swobodnik mit Phettberg zur Filmpremiere in die Berliner Kultdisco Berghain. Ein denkwürdiger Abend für Phettberg: Er wurde dort in einer szenischen Einrichtung von Jeansboys mit Peitschen gezüchtigt. Der Sadomasochist durfte doch noch ein Stück Glück erleben. Michael Dlugosch /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: W-film Filmdaten Der Papst ist kein Jeansboy Österreich 2012 Regie: Sobo Swobodnik; s/w; Mitwirkende: Hermes Phettberg, Kurt Palm, Josef Hader (Sprecher) u.a.; Länge: 74 Minuten; ein Film im Verleih von W-film Distribution; deutscher Kinostart: 2. Juli 2015
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