6. Juni 2000

Humor ist, wenn man trotzdem lacht


Der Mondmann


Der Mondmann: Jim Carrey als Andy Kaufman

"Mott the Hoople and the game of Life.
Yeah, yeah, yeah, yeah.
Andy Kaufman in the wrestling match.
Yeah, yeah, yeah, yeah.
...
Hey, Andy did you hear about this one?
Tell me, are you locked in the punch?
Hey Andy are you goofing on Elvis?
Hey, baby. Are we losing touch?
If you believed they put a man on the moon, man on the moon.
If you believe there's nothing up my sleeve, then nothing is cool."



So lauten Anfang und Refrain des R.E.M.-Songs "Man on the Moon" aus dem Jahr 1992. Die US-Rockgruppe um Sänger Michael Stipe widmete das Lied einer amerikanischen Entertainment-Ikone der 70er und frühen 80er Jahre, Andy Kaufman, acht Jahre nach dessen Tod durch Lungenkrebs im Mai 1984. Weitere acht Jahre danach zeigte sich auch Regisseur Milos Forman am umstrittenen Komiker interessiert. Auch er widmete sich Andy Kaufman und dem einstigen "Saturday Night Live"-Star einen Spielfilm, mit Starkomödiant Jim Carrey in der Hauptrolle. Es lag nahe, den Film ebenfalls "Man on the Moon" zu nennen, für den deutschen Markt leider eingedeutscht in "Der Mondmann".

Die freie Biografie, die die wahre Geschichte mit völlig frei erfundenen Episoden ausschmückt, schildert Kaufmans erste Auftritte in Vorortbars, in denen er vom Publikum abgelehnt wird, zeigt seine Entdeckung durch den Manager George Shapiro (Danny DeVito), den ersten Auftritt in "Saturday Night Live", bei dem Kaufman nichts anderes tut, als zur Musik von "Mighty Mouse" zu tanzen und ein Mitsingen zu imitieren, sodass er eine Fangemeinde gewinnt, die sein Verhalten auf der Bühne für witzig hält, und endet mit der Frage, ob Kaufman seinen eigenen Tod fingiert hat? Es wäre ein typischer Scherz Kaufmans gewesen.

Am Anfang des Films zeigt sich schon die exzentrische Form, die Einzigartigkeit des Films:
Carrey erklärt als Andy Kaufman, dass der Film bereits zu Ende ist. Deswegen läuft schon der Abspann des Films, bevor der Film überhaupt begonnen hat. Carrey alias Kaufman erklärt's: Er hat den Film schon gesehen, fand ihn nicht gut und hat viel rausgestrichen. Ungewöhnlicher hat noch kein Film begonnen, ganz im Stile des Humors Andy Kaufmans. Kein Zufall, dass Forman die Regie führte. Hat der Tscheche doch schon Erfahrung mit Filmen über tatsächlich existierende Persönlichkeiten, die gegen die üblichen gesellschaftlichen Normen auftreten oder auftraten.
Zuletzt drehte Forman "The People versus Larry Flint" (1997) über den "Hustler"-Verleger Flint und seinen Kampf gegen eine konservative amerikanische Gesellschaft, die sein Pornomagazin ablehnt und ihn sogar in den Rollstuhl schießt. Für "...Larry Flint" erhielt Forman unter anderem den Goldenen Bären der Berlinale 1997 als bestem Film des Wettbewerbs. Im Falle von "Amadeus" (1984) hatte Forman noch erfolgreicher das Leben eines Prominenten auf die Leinwand gebracht. Für Formans eigenwillige Mozart-Biografie gab es acht Oscars. Formans Mozart-Biopic war eigenwillig, weil sie einen Mozart zeigte, wie man ihn nicht kennt. Der Komponist als junger, hedonistischer und an die Gesellschaft nicht angepasster Antiheld mit lila Strähnen in seinen Perücken. Forman übertreibt gerne bei der Darstellung seiner Charaktere. Das weiß man schon seit "Einer flog übers Kuckucksnest" (1977), seit Jack Nicholsons fiktive Rollenfigur McMurphy anarchistische Unruhe in eine psychiatrische Anstalt brachte. Die Figuren in Formans Filmen verhalten sich unkonventionell. Die Titelfigur "Amadeus" war ebenfalls als anarchistisch veranlagt dargestellt, zweifellos auf der Leinwand anarchistischer als der wahre Mozart es je gewesen sein könnte.

Anarchie war auch oberstes Ziel für den "Man on the moon", Andy Kaufman, für den Echten wie für den auf Zelluloid. Humor hatte für den Exzentriker Kaufman keine Grenzen, er stellte sich auf die Bühne und machte entweder Gags, über die die Leute lachten, weil sie glaubten, sie seien witzig. Der einzige Gag war: Kaufman hatte mit Anti-Humor das Publikum verschaukelt. Oder Kaufman stellte sich hin und las - F. Scott Fitzgeralds "Der große Gatsby" von vorn bis hinten laut vor, bis der letzte Zuschauer der Comedy-Clubs vergrault war. Harald Schmidt fasst sich da vergleichsweise kürzer: Dessen eigentlich gaglosen Rezitationen in seiner Show, zum Beispiel Nietzsche oder Enzensberger, dauern wenige Minuten.

Alternativ konnte Kaufman sich auf der Bühne auch als Mechaniker Latka Gravas ausgeben - mit osteuropäischem Akzent. Gravas war seine Rollenfigur in der Fernsehserie "Taxi". Vielleicht tauchte auf der Bühne auch gar nicht Andy Kaufman auf. Sondern ein gewisser Tony Clifton, ein schmieriger Nachtclub-Sänger, der im Stile Dean Martins zu singen versuchte, dabei aber das Publikum anpöbelte. In Wirklichkeit war es doch Andy Kaufman in Verkleidung, der seine persönliche Auffassung von Spaß so umsetzte.

Ein Höhepunkt von Kaufmans anarchistischem Umgang mit seinem Publikum: Er kämpfte als Wrestler gegen Frauen - und verlor nie. Er blieb so der selbsterklärte erste "Intergender Wrestling Champion". Bis ein Wrestling-Profi, Jerry Lawler, ihm deswegen in der "David-Letterman-Show" einen Fausthieb versetzte. Die monatelange Fehde mit dem Wrestler war natürlich getürkt.

Das alles zeigt der Film wie eine Dokumentation. Dabei bleibt der Film eine Komödie, besser gesagt: eine Tragikomödie, denn wie schon in "Amadeus" begleiten wir den Helden auch in "Der Mondmann" bis zum Totenbett. Unvergesslich die Überblendung vom todkranken Komiker, der den Betrug eines Wunderheilers entlarvt und damit selber das Opfer eines Streichs geworden ist, auf seinen eigenen Leichnam. Ihm, Kaufman, bleibt das Lachen im Halse stecken, es erstirbt mit ihm, ihm wird dieser Streich angetan, ihm, der sein Publikum schon mal schockierte, indem auf der Bühne eine alte Frau vor ihm tot umfiel - um ihr dann eine umso fröhlichere Auferstehung als Komparsin in seinem neuesten grausamen Streich zu gönnen.

Die Berlinale-Jury 2000 prämierte "Der Mondmann" mit dem silbernen Bären für die beste Regie. Jim Carrey erhielt in den USA den "Golden Globe" für seine schauspielerische Leistung. Inwiefern ist eigentlich ein Film über einen anarchistischen Komiker aktuell? Die Antwort gibt uns ausgerechnet ein Deutscher. Zwei Tage nach dem deutschen Kinostart von "Der Mondmann" am 11. Mai 2000 holte der deutsche Komödiant Stefan Raab beim Grand Prix Eurovision de la Chanson einen fünften Platz. Der Titel seines Songs "Wadde hadde dudde da" drückt schon die ganze Ironie aus, mit der Raab dem deutschen Schlager ralphsiegelscher Prägung ein Grab schaufeln will. Wem gönnt er den Spaß daran? Sich selber und jedem, der Raabs Idee überhaupt erkannt hat. Andy Kaufman hätte seine Freude gehabt; seine Art von Humor ist 16 Jahre nach seinem Tod mehr en vogue denn je.

 
Michael Dlugosch / Wertung: * * * * (4 von 5)

Quelle des Fotos: Universal


Filmdaten

Der Mondmann
(Man on the Moon)

USA 1999
Regie: Milos Forman;
Darsteller: Jim Carrey (Andy Kaufman), Danny DeVito (George Shapiro), Courtney Love (Lynn Margulies), Paul Giamatti (Bob Zmuda), Vincent Schiavelli (Maynard Smith), Peter Bonerz (Ed Weinberger), Gerry Becker (Stanley Kaufman), Greyson Erik Pendry (Michael Kaufman), Leslie Lyles (Janice Kaufman), Bobby Boriello (Young Andy) u.a.; als Gast: George Shapiro (Clubbesitzer); Drehbuch: Scott Alexander, Larry Karaszewski; Produktion: Pamela Abdy, Danny DeVito, Scott Ferguson, Michael Hausman, Michael Shamberg, George Shapiro, Stacey Sher, Howard West, Bob Zmuda; Casting: Kathy Driscoll, Francine Maisler; Kamera: Anastas N. Michos; Schnitt: Adam Boome, Lynzee Klingman, Christopher Tellefsen;

Länge: 118 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Concorde Filmverleih; deutscher Kinostart: 11. Mai 2000




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Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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