30.04.2024

Halbwelt und Heroin

Der Mann mit dem goldenen Arm

Nelson Algrens Roman "Der Mann mit dem goldenen Arm" (1949) galt als unverfilmbar. Weil er vom Tabuthema Heroinsucht handelt. Der in die USA ausgewanderte österreichische Regisseur Otto Preminger wagte sich 1955 dennoch an das Thema heran und drehte den Film Noir mit Frank Sinatra in der Hauptrolle. Sinatra spielt Frankie Machine, der nach mehrmonatiger Abwesenheit in das Stadtviertel, das seine Heimat ist, zurückkehrt. Er war - scheinbar erfolgreich - in einer Klinik auf Heroinentzug. Ihn zieht es zunächst in seine Lieblingskneipe, später erst zu seiner Frau. In der Kneipe trifft er all seine Spezis und zwei Männer, von denen er sich fortan fernhalten wollte, Zero Schwiefka (Robert Strauss) und Louie (Darren McGavin). Louie ist sein Heroin-Dealer, der ihn sogleich wieder verführen will. Bald erfolgreich. Für Schwiefka arbeitete Frankie als Bankhalter beim illegalen Pokerspiel. Auch dies wird er wieder tun, entgegen allen Bekundungen.
Premingers Film ist ein zeitloser Klassiker.

"... Du weißt ja, was nach der letzten Spritze kommt! Die allerletzte und noch eine und noch eine!" Molly kämpft um Frankie, der rückfällig geworden ist. Molly wird von Kim Novak gespielt. In den Szenen, in denen das Kinopublikum sie kennenlernt, wirkt Novak unterkühlt, fast wie eine Fehlbesetzung für den Film. Aber in den wichtigen Szenen ist sie da - wenn es ums Ganze geht, wenn Molly Frankie verzweifelt darauf hinweist, dass Heroineinnahme tödlich sein kann, er von den Stoff runtermuss. Er will runter - aber die Sucht ist vorhanden. Frankie erklärt es: Er hatte mal aus Neugierde Heroin probiert. Dann kam er von der Droge nicht mehr weg, dank Louies Verführung. Er lässt sich von Molly in einem Zimmer einschließen und zerstört das Zimmer aus Entzugsgründen, eine Szene, die Anklang im ebenfalls von Heroin handelnden "Trainspotting - Neue Helden" (1996) fand. In diesem Moment wird Frankie, der unschuldig ist, zudem wegen Totschlags gesucht. Molly ist nicht Frankies Ehefrau, nicht mal heimliche Geliebte, eine Freundin, die besser zu ihm passt als Gattin Sophia, von allen "Zosch" genannt (Eleanor Parker). Diese sitzt im Rollstuhl und jammert. In übertriebener Form, was dem Film schadet. Zosch hat ein Geheimnis, was ihre Behinderung angeht. Sie ist seit einem von Frankie verschuldeten Unfall im Rollstuhl. Sie will nicht, dass Frankie sie verlässt. Der seinerseits bleibt brav bei ihr, hat aber Pläne für die Zukunft. Er möchte Schlagzeuger werden. Wenn nicht das Heroin wäre. Und eine weitere Abhängigkeit: von Schwiefka, der ihn wegen seiner sicheren Hand beim Pokern benötigt.

Regisseur Otto Preminger verfolgt einen interessanten, gelungenen Ansatz: Das Stadtviertel ist ein Mikrokosmos, den Preminger mit dem Publikum beobachtet. Eine Dame geht sonntags zur Kirche, während Frankie zum Pokertisch zurückeilt, dort Louie um Heroin anbettelnd. Louie und Schwiefka wie deren Milieu sind die Halbwelt. Deren Figuren sind unterschiedlich und perfekt charakterisiert. So, wie die Sucht ergreifend thematisiert wird, der Zuschauer fühlt mit. Sucht als Problematik, Preminger ging das Risiko ein und gewann. Mit einem Film, dessen Aktualität und Qualität bis heute andauern.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * (4 von 5)



Filmdaten

Der Mann mit dem goldenen Arm
(The Man with the Golden Arm)

USA 1955
Regie: Otto Preminger;
Darsteller: Frank Sinatra (Frankie Machine), Eleanor Parker (Zosh Machine), Kim Novak (Molly), Arnold Stang (Sparrow), Darren McGavin (Louie), Robert Strauss (Schwiefka), Emile Meyer (Detective Bednar) u.a.;
Drehbuch: Ben Hecht, Lewis Meltzer, Walter Newman nach dem gleichnamigen Roman von Nelson Algren; Produzent: Otto Preminger; Kamera: Sam Leavitt; Musik: Elmer Bernstein; Schnitt: Louis R. Loeffler;

Länge: 119 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; westdeutscher Kinostart: 23. März 1956



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"Horrorfilme funktionieren immer. Aber in Zyklen. Wenn ein Horrorfilm gut läuft, machen Leute viele Horrorfilme, überladen den Markt, bis da zu viele Horrorfilme sind, und die Leute werden mit dem Drehen von Horrorfilmen herunterfahren. Und dann beginnt es von Neuem."

Regisseur, Schauspieler und Produzent Roger Corman (5. April 1926 - 9. Mai 2024)

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