14.03.2012
Von Lebensvorstellungen und Schicksalsschlägen...

Das Leben gehört uns


Das Leben gehört uns: Valérie Donzelli, Jérémie Elkaïm Ein junges Paar. Ein krebskrankes Kind. Eine Thematik, die tragischer kaum sein könnte. Doch die Regisseurin Valérie Donzelli holt den Zuschauer eben nicht an diesem Punkt ab. Sie überrascht mit ihrer Dramaturgie und ihrer Machart. Die unendliche Traurigkeit steht nicht im Zentrum des Films "Das Leben gehört uns". Nein, der Film ist nicht traurig, auch nicht fröhlich. Er lässt sich in kein Genre wirklich einordnen, ist eher ein Hybrid. Es ist einfach die Darstellung einer Lebensperiode eines jungen Paares. Und doch ist er viel mehr. Es ist das Zeigen von unbändiger Lebenswut, von Hoffnung, Verzweiflung, von Vertrautheit und Seelenverwandtschaft, von Verbundenheit ohne die idealisierte Vorstellung von Liebe zu präsentieren.
"Das Leben gehört uns" wurde von Frankreich für den Oscar® als Bester fremdsprachiger Film vorgeschlagen.

Alles scheint perfekt. Roméo und Juliette lernen sich im flirrenden Pariser Nachtleben kennen und sind von da an unzertrennlich. Sie haben das Gefühl, das ganz große Glück gefunden zu haben und ihr Leben kommt einem Freudentaumel gleich. Roméo und Juliette bekommen sehr bald ihren Sohn Adam, der die Vorstellung der kleinen, jungen, unabhängigen und passionierten Familie komplettiert. Doch das Schicksal hat anderes vor. Bei Adam wird ein Hirntumor diagnostiziert. Für Roméo (Jérémie Elkaïm) und Juliette (Valérie Donzelli) bricht die wohl schwerste Zeit ihres Lebens an. Gemeinsam bangen und kämpfen sie um das Leben ihres Kindes. Das Schicksal stellt die jungen Eltern und ihre Beziehung auf eine harte Probe.

Das Leben gehört uns: Jérémie Elkaïm, Valérie Donzelli Valérie Donzelli erzählt mit ihrem Film die Geschichte eines sorglosen Liebespaares, welches vom Idealismus, alles schaffen zu können, geprägt ist. Der herbe Schicksalsschlag zwingt sie dazu, erwachsen zu werden. Die Regisseurin hat zusammen mit ihrem Ex-Partner Jérémie Elkaïm, der im Film Roméo spielt, Ähnliches erlebt. Der Film hat somit autobiografische Züge. Das zeigt sich auch in der Ästhetik. Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Film wisse nicht genau, wo er hinwolle. Doch schnellt stellt sich heraus, dass Donzelli ein Drahtseilakt gelungen ist. Gekonnt vereint sie Fiktion und Dokumentation. Sie stilisiert, arbeitet das Gegensätzliche heraus, um doch ein harmonisches Ganzes zu erzielen. Dröhnen trifft auf Stille, Verzweiflung auf Leichtigkeit. Sie montiert, um die menschlichen verqueren Verhaltensweisen in Extremsituation darzustellen. Montage, Irisblenden, Zeitraffer und Voice-Over, Donzelli nutzt eine Vielzahl filmischer Mittel, um Dynamik und Gefühlslagen zu visualisieren. Selbst die Stille wird inszeniert, indem die Sequenzen teils mit klassischen Melodien unterlegt sind.

Donzelli hat einen Film geschaffen, der auf der non-verbalen Ebene ebenfalls funktioniert. Es sind Mimiken und Gestiken, Blicke und Räumlichkeiten, die viel zu sagen haben. Der Film zeigt das manchmal Groteske im rein Menschlichen ohne an Bodenständigkeit zu verlieren. So wirkt es zuerst verstörend, wenn Roméo und Juliette auf einer Liege aneinandergekuschelt im Krankenzimmer ihres Kindes liegen und sich von ihren Ängsten erzählen, die zum Schluss ins Absurde abdriften und das Paar darüber lauthals zu lachen beginnt. Aber eben diese Situationen sind so angenehm menschlich und lassen die Angehörigen wie auch den Zuschauer die unendlich traurige Thematik besser verkraften. Donzelli setzt somit vereinzelt auf eine Situationskomik, die keine platte Gag-Attitüde aufweist. Roméo und Juliette sind keine pathetischen Elternfiguren, sondern junge überforderte Erwachsene, die alles daran setzen, dass ihr Kind gesund wird. Der Zuschauer merkt recht schnell, dass sich die eigentliche Geschichte um Romeo und Juliette herum entwickelt: Es geht um ihre Beziehung und das gemeinsame Bestehen dieser harten Prüfung des Lebens.

Das Leben gehört uns: Jérémie Elkaïm, Valérie Donzelli Das filmische Konzept generell funktioniert, weil man sich wiederfindet. Die ungeschönt dargestellte Realität in Kombination mit den stimmungsgeladenen Close-Ups und Detailaufnahmen lassen Authentizität und Intimität entstehen. Die Geschichte des jungen Paares wirkt zu Anfang wie der Traum vom Leben, das Gefühl Großartiges vor sich zu haben, grenzenlose Freiheit zu besitzen und abrupt folgt das Realisieren der Tatsachen. Die Erkenntnis, dass das Leben kein immerwährender Tanz durch Paris ist. Im Verlauf spürt der Zuschauer das Ausgelaugtsein der jungen Familie selbst, so überzeugend spielen die Darsteller ihre Rollen. Man spürt die Angst den Nacken der Protagonisten hinauf kriechen. Doch sie kämpfen darum, sich immer wieder auf das Hier und Jetzt besinnen zu können und fürchterliche Zukunftsvisionen zu verdrängen.

Der gesungene Part, in dem sie getrennt voneinander durch die Nacht fahren und sich singend ihre Liebe gestehen, stört allerdings die Ästhetik, hier rutscht es zu sehr ins Kitschige ab. Gelungen ist vor allem die Auswahl der Filmmusik: Chansons treffen auf ekstatische Elektro-Beats, Klassik auf hitzigen Postpunk. Dabei ist die Musik so konträr wie die Verhaltensweisen des Paares und dessen Emotionen. Auch an dieser Stelle ist der Film auf seine ganz eigene Weise erfrischend und trägt das tragische Thema mit authentischer Menschlichkeit und Realitätsnähe.  

Jennifer Klinge / Wertung: * * * * (4 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Prokino

 
Filmdaten 
 
Das Leben gehört uns (La guerre est déclarée) 
 
Frankreich 2011
Regie: Valérie Donzelli;
Darsteller: Valérie Donzelli (Juliette), Jérémie Elkaïm (Roméo), César Desseix (Adam, 18 Monate), Gabriel Elkaïm (Adam, 8 Jahre), Brigitte Sy (Roméos Mutter) u.a.;
Drehbuch: Valérie Donzelli, Jérémie Elkaïm; Produktion: Edouard Weil; Kamera: Sébastien Buchmann; Schnitt: Pauline Gaillard;

Länge: (Laufzeit 24fps, d.h. im Kino:) 100,13 Minuten bzw. (Laufzeit 25fps, d.h. im Fernsehen:) 096,42 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih von Prokino; deutscher Kinostart: 26. April 2012



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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