06.04.2016
Ein Film der 66. Berlinale 2016, Sektion Kulinarisches Kino

Campo a través.
Mugaritz, intuyendo un camino


Der Originaltitel bedeutet "querfeldein". Dort zu gehen, statt auf dem Weg, sei schmerzhafter, sagt Küchenchef Andoni Luis Aduriz: "aber auch aufregender." Der mit zwei Michelin-Sternen gekrönte Betreiber des Titelrestaurants sieht sich in doppeltem Sinne dort. Das Mugaritz eröffnete er 1998 in der nordspanischen Provinz. Seine Küche sucht ständig neue Wege, um den Gästen ein einmaliges Erlebnis zu bieten. Mit Dokumentarfilmer Pep Gatell feilt er am Mythos des Spitzenrestaurants.

Die filmische Hommage wiederholt das Bild des "abseits des viel begangenen Weges gehen" so oft sprachlich und visuell, als sei Adruiz der neue Robert Frost. Statt Poesie regiert auf der Leinwand jedoch Pathos. Die Szenen entstanden ohne Drehbuch allein auf der Basis der Erzählungen der Mitarbeiter und natürlich von Adruiz, der selbst die Idee zu dem Projekt lieferte. Sonderlich neu ist dieser Weg der geschickten Selbstvermarktung nicht. Einzelne Köche sind ihn genauso gegangen ("Sergio Herman. Fucking Perfect") wie Restaurants ("El Bulli"). Manche wie das Noma ("Noma – My perfect Storm" und "Ants on a Shrimp") haben den Pfad geradezu ausgetrampelt. Und fast alle liefen sie auf der Berlinale. Warum das Kulinarische Kino einen Schwerpunkt auf filmische Idolatrie setzt, ist unklar. Eindeutig ist der Ehrgeiz des von Präzision und Perfektionismus geprägten Betriebs. "Jeden Tag, wenn ich ins Bett ging, schätzte ich mich glücklich", sagt ein Mitarbeiter. "Ich schätze mich noch immer glücklich." Dankbar sein soll auch der Zuschauer, dass ihm Zutritt zu dem exklusiven Lokal gewährt wird, das manche am liebsten nie verlassen würden: "Mein Traum war es, für immer in Mugaritz zu bleiben."

Die Schikanen der Spitzengastronomie wie der Dualismus von Selbstaufopferung und Egomanie, der extreme Stress, der viele Angestellte an ihre physischen und psychischen Grenzen bringt, und Snobismus existieren hier angeblich entweder gar nicht oder nur in ideeller Form. "Du kannst kein Arschloch sein und Exzellenz erreichen wollen", sagt Adruiz, der diese Exzellenz aus Sicht des Regisseurs längst erreicht. Das Mugaritz sei "unendlich", "ewig". Das klingt nach einem fast überirdischen Ort, dem sich die Kamera mit einer Mischung aus Ehrfurcht und (in einer Szene auch praktischer) Erbsenzählerei nährt. Animierte Zahlenkolonnen rattern überall dort herunter, wo Rekorde aufgestellt werden: an geschrubbtem Boden, an verdampftem Wasser oder Kostproben, die zur Vervollkommnung der Menüs durchgeführt werden. "Wir befinden uns in unserem eigenen Mikrokosmos." Alles läuft darin reibungslos. Wenn hier Fehler und Konflikte auftreten, soll augenscheinlich niemand davon wissen. Entsprechend öde ist die Makellosigkeit anzusehen. Zwar fließt schon mal Blut und Köpfe rollen, aber das nur bei der Zubereitung von Gänsen. Außerdem ist kein Opfer zu groß, wenn es der Selbstverwirklichung dient: "Es gibt Leute, die sich ihren Traum erfüllen, und Leute, die die Träume anderer erfüllen." Zweite Kategorie, vermittelt ein anderer Kommentar, wäre es im Leben eben falsch angegangen und sei selber schuld.

Solche Arroganz ist ebenso unappetitlich wie die in der Foodie-Filmkategorie für gewöhnlich perfekten Hochglanzbilder der Speisen. Doch an höchster Stelle steht bei der salbungsvollen Doku offenbar ohnehin nicht Kulinarik – sondern Karrierismus.  

Lida Bach / Wertung: * (1 von 5) 
 

 

 
Filmdaten 
 
Campo a través. Mugaritz, intuyendo un camino (Campo a través. Mugaritz, intuyendo un camino) 
 
Spanien 2015
Regie: Pep Gatell;
Idee: Andoni Luis Aduriz, Pep Gatell; Produzent: Nadala Fernández; Kamera: Pol Aregall; Musik: Alex Ferrer; Schnitt: Sara López;

Länge: 69 Minuten; deutscher Kinostart: unbekannt



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Der Film im Katalog der Berlinale
<06.04.2016>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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