16.02.2013
Camille Claudel 1915
![]() Es ist der zweite Winter der ehemaligen Bildhauerin (Juliette Binoche) in der Nervenheilanstalt Montdevergues, wohin sie aus einer psychiatrischen Klinik verlegt wurde. Die Maßnahme dient den übrigen Patienten zum Schutz vor den anrückenden deutschen Truppen. Wo es keine Welt gibt, gibt es auch keinen Weltkrieg. Nur einen inneren Kampf gegen die ständige Präsenz des eigenen Wahns und dessen der Mitinsassen. Der Krieg scheint in der bedrückenden Einsamkeit so unwirklich wie jeder Gedanke an eine Außerhalb. Mitunter kommt er der in sich gekehrten Protagonistin, die einst bewusst vor dem Außerhalb in ihr Studio flüchtete und sich nun danach verzehrt. Doch scheint jenes Konzept der gesellschaftlichen Normalität bereits zu formlos und verwischt, um ihr eine konkrete Handlungsoption zu eröffnen. Unüberwindbar liegt die Kluft zwischen der unbeugsamen Künstlerin, die entgegen der Etikette an der Kunsthochschule studierte, eine wechselhafte Affäre mit Auguste Rodin begann und gegenüber ihrem Mentor und Liebhaber einen eigenen Stil kreierte, und deren lautlos durch die Anstaltsräume streifenden Schatten.
Binoches zugleich hochkonzentrierte und impulsive Darstellung zeigt die Titelfigur als Zerrissene zwischen Vernunft und Wahn, deren aus Briefen entnommene Gedankenzeilen einen erstaunlich bewussten und nuancierten Gegensatz zu ihren Affekten bilden. Der strenge Inszenierungsrahmen gedachter Monologe und stupider Alltagsverrichtungen vermitteln ebenso greifbar wie erschöpfend die zermürbende Monotonie der intellektuellen Abschottung Claudels. Das hübsche Studio hat sie seit über zwei Jahren nicht mehr betreten, nachdem sie sich fast eine Dekade darin verbarg. Was an Skulpturen von ihrem Künstlertum zeugte, zerstörte sie großteils, als seien die Monumente ihrer verlöschten Schöpfungskraft ihr unerträglich. Wahre Unerträglichkeit aber erwartet sie erst in der Anstalt, innerhalb deren Mauern wie in Hugo Gerhard Simbergs "Garten des Todes" nur langsames Sterben gehegt wird. Lida Bach /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Berlinale Filmdaten Camille Claudel 1915 (Camille Claudel 1915) Frankreich 2012 Regie & Drehbuch: Bruno Dumont; Darsteller: Juliette Binoche (Camille Claudel), Jean-Luc Vincent (Paul Claudel), Emmanuel Kauffman, Marion Keller, Robert Leroy, Armelle Leroy-Rolland u.a.; Produzenten: Muriel Merlin, Jean Brehat; Produktion: 3B Productions; Kamera: Guillaume Deffontaines; Schnitt: Bruno Dumont, Basile Belkhiri; Länge: 97 Minuten; deutscher Kinostart: unbekannt
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