07.07.2010
Briefe an Julia
Ohne Liebe vergeht die Seele, lehrt zart-romantisch schon die erste Szene von "Briefe an Julia"; leider nicht dank der Kunstfertigkeit von Regisseur Gary Winick, sondern der François Gerards. Dessen wohl berühmtestes Gemälde eröffnet den Vorspann, gefolgt von nicht minder bekannten Porträts und Fotografien legendärer Liebespaare. Wie schön, wenn Geist und Gefühl zu holder Kunst verschmelzen! Was macht es, dass Gerard nicht Italiener, sondern Franzose war und sein Gemälde "Amor und Psyche" zeigt, nicht Shakespeares tragische Liebende? Um deren Legende entspinnt sich die Handlung von Winicks Kinoromanze. Episches Drama und klassische Kunst, das stellen die irreführenden Assoziationsanreize des Vorspanns unmissverständlich klar, werden in "Letters To Juliet" einzig bemüht, damit auch der Dümmste begreift, dass es hier um Herzschmerz geht.
"Briefe an Julia" müsste auch Shakespeares Romeo im heutigen Verona schreiben. Liebesoden würden im Lärm von Reisegruppen und Schulklassen untergehen, durch die er sich bis zum legendären Balkon kämpfen müsste. Letzterer wurde als zusätzlicher Touristenmagnet an die angebliche "Casa di Guilietta" angebaut. Solche Kleinigkeiten kümmern Regisseur Winick wenig, der statt lärmender Touristen schluchzende Mädchen unter den Balkon platziert und auf ihm eine lamentierende Dame, die, wie mangels Italienisch-Kenntnissen nur vermutet werden kann, sich über das Geheul beschwert. Eine der von Liebeskummer Geplagten ist die junge Sophie (Amanda Seyfried). Der als vorläufige Flitterwochen gedachte Italien-Urlaub mit ihrem Verlobten Victor (Gael Garcia Bernal) entpuppt sich als Vorwand für den jungen Chefkoch, in der Umgebung nach Delikatessen und Rezepten für sein Restaurant zu suchen. Erstaunt ist Sophie, als sie entdeckt, dass die an der Hausmauer befestigten "Briefe an Julia" von selbst ernannten "Sekretärinnen" Julias beantwortet werden. Als die aufstrebende Journalistin den fünfzig Jahre alten Brief von Claire (Vanessa Redgrave) findet, schreibt sie ebenfalls zurück. Ermutigt von Sophies Antwort reist Claire nach Verona, um ihre alte Liebe Lorenzo (Franco Nero) zu finden. Sophie entflammt unterdessen für Claires Enkel Charlie (Christopher Egan), der "aufgehört hat, an Happy Ends zu glauben." "...aber innerlich besitzt er solch warme Leidenschaft", verrät Claire und Lorenzo ergänzt, für die Liebe sei es nie zu spät. Ob fünfzig Jahre oder ein paar Wochen dazwischen liegen. Damit die Familien auch "gleich an Stand und Ehre" sind, muss die mit einem Mexikaner liierte Amerikanerin nach Italien reisen, um in Charlie einen angemessenen anglo-sächsischen Partner zu finden. Der "reitet im letzten Moment auf einem weißen Pferd daher", beschreibt es Charlie. Ebenso begegnet Claire unter den unzähligen Lorenzos der Wahre, mit dem einzigen Unterschied, dass besagtes Pferd braun ist. Inspiriert wurden die Drehbuchautoren José Rivera und Tim Sullivan von Lise und Ceil Friedmans Buch "Letters to Juliet", welche sich dem wirklich existierenden "Club di Giulietta" widmet. Weil die Heroine Shakespeares mit der Zeit geht, ist Julia heute via Internet unter www.julietclub.com erreichbar. "Wäre es nicht wahr, würde es keiner glauben", lächelt Sophie selig, die vermutlich auch dem Weihnachtsmann schreibt. Der versteht es ebenso, aus Briefen ein lukratives Geschäft zu machen. Noch besser kann es nur Mainstream-Kitsch wie Winicks hohle Romanze. Lida Bach /
Wertung: *
(1 von 5)
Quelle der Fotos: Concorde Film Filmdaten Briefe an Julia (Letters to Juliet) USA 2009 Regie: Gary Winick; Darsteller: Amanda Seyfried (Sophie), Vanessa Redgrave (Claire), Gael Garcia Bernal (Victor), Christopher Egan (Charlie), Franco Nero (Lorenzo) u.a.; Drehbuch: José Rivera, Tim Sullivan; Produktion: Ellen Barkin, Mark Canton, Eric Feig, Caroline Kaplan, Patrick Wachsberger; Ausführende Produktion: Ron Schmidt; Kamera: Marco Pontecorvo; Musik: Andrea Guerra; Länge: 105 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Concorde Film; deutscher Kinostart: 19. August 2010
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